Es ist erwiesen, dass die Sprache Kultur und Identität beeinflusst und die Interpretation einer Realität prägt. Worte spielen eine Schlüsselrolle bei der Analyse von Informationen während der Betrachtung/Beobachtung. Sie beschreiben und erklären Realitäten, indem sie diese mit Gefühlen, Konnotationen und Doppelbedeutungen versehen. Wie also beeinflusst die Sprache das Verständnis und die Interpretation von Bildern?
Die Ausstellung lädt die Betrachter:innen dazu ein, über konzeptionelle Spannungen und Dualismen nachzudenken und dabei zu berücksichtigen, wie der eigene Gebrauch und die eigene Kenntnis von Sprache(n) die Beziehung zu Bildern prägt. Die gezeigten Videoarbeiten überlagern visuelle und textliche Erzählungen und spielen mit der Funktion von Assoziationen.
Peter Weibels Arbeit stellt den Akt des Sehens seinen Signifikanten gegenüber – der filmischen Abbildung eines Auges und dem Wort «sehen». Während das Abbilden des Auges ein direkter Hinweis auf den Vorgang ist, handelt es sich bei dem Wort «sehen» um ein Symbol, dem durch eine sprachliche Konvention eine Bedeutung verliehen wird, wobei das Wort selbst (und die Buchstaben, aus denen es besteht) keine intrinsische, also keine direkte Verbindung zum Akt des Sehens haben.
Ushnish Mukhopadhyay konfrontiert uns mit einer Dualität von textlicher Präsenz und Abwesenheit, während er seinen eigenen Körper zur Unterstützung der Erzählung einsetzt. Unter Bezugnahme auf den Kuleschow-Effekt, bei dem die folgenden Bildsequenzen die emotionale Interpretation des Gesichtsausdrucks einer Person bestimmen kann, erfindet die Arbeit diese Bearbeitungspraxis mit Hilfe von Text neu. Sie konfrontiert uns mit Auslöschung und Umstrukturierung, zerlegt narrative Bausteine und setzt diese neu zusammen, während die Visualität auf einen zusammenhängenden Rahmen beschränkt wird.
Ballada do Balkonów von Agata Lech & Gosia Trajkowska stellt eine Ballade (in Form von Voiceover und Untertiteln) einem Videoessay gegenüber, der über die kulturelle Bedeutung und Definition von Balkonen in der polnischen Alltagskultur reflektiert. Die begleitenden Bilder implizieren und suggerieren Bedeutungen, bieten eine Neuinterpretation des Textes und fördern eine interpretatorische Spannung.
In I am Love schliesslich überschreibt Anette C. Halm ihr eigenes Spiegelbild, um eine Aussage zu machen und sich selbst zu definieren. Mit anderen Worten: Die Künstlerin nutzt die Schrift, um ihre Selbstwahrnehmung zu kontextualisieren – ähnlich wie Mukhopadhyay verwendet sie Symbole (Worte), um die Möglichkeiten der visuellen Interpretation einzuschränken. Da der Spiegel jedoch nach und nach mit Text bedeckt wird, wird dessen Bedeutung langsam unleserlich – durch die Überbeschreibung dessen, was wir sehen, demonstriert Halm, dass wir Gefahr laufen, das zu verlieren, was wir sehen.