Das Kino REX und das Lichtspiel starten in die 6. Ausgabe der gemeinsamen Reihe «Filmgeschichte». In acht thematischen Vorlesungen und am Beispiel von 16 Filmen werden zentrale Aspekte der Filmgeschichte von ihren Anfängen bis heute beleuchtet. Alle Filme werden im Lichtspiel und im REX in Originalversion gezeigt: Filmgeschichte im Kinoformat!
Vom frühen Hollywood bis nach Twin Peaks spannen wir den filmischen Bogen, und von den technischen Grundlagen des Films bis zu den Grenzbereichen des Kinos reichen die Themen unserer filmgeschichtlichen Vorlesungen, welche die Expertinnen und Experten in ihren Vorlesungen beleuchten (siehe Übersicht unten). Anders als in früheren Jahren rücken wir verstärkt exemplarische inhaltliche Aspekte in den Fokus. Den roten Faden durch die Geschichte der 7. Kunst legt der Filmwissenschaftler Fred van der Kooij. Er wird sich mit den Regisseuren G. W. Pabst, Kenji Mizoguchi, Vittorio de Sica und Jean-Luc Godard befassen und deren Schaffen im Kontext ihrer Zeit – Neue Sachlichkeit, goldene Ära des japanischen Kinos, Neorealismus, Nouvelle Vague – diskutieren. Dabei wird er von der üblichen Chronologie abweichen und sich vom Jahr 1990 und Godards Nouvelle vague rückwärts zu den Anfängen der Filmgeschichte und zu Pabsts Die Büchse der Pandora aus dem Jahr 1928 vorarbeiten. Den Auftakt aber machen wir ganz traditionell chronologisch: David Landolf, der Leiter des Lichtspiels, befasst sich mit der Frühgeschichte des Kinos und führt in die technischen Grundlagen ein. Der Filmwissenschaftler Till Brockmann wird sich dem Dokumentarfilm widmen, die Kuratorin Kathleen Bühler der Filmgeschichte aus weiblichem Blick. Zum Abschluss wird die Kunsthistorikerin Elke Kania die Grenzbereiche des Kinos ausloten und sich unter anderem mit David Lynchs Fernsehserie Twin Peaks auseinandersetzen.
Die acht Vorlesungen dauern 75 Minuten, wobei jeweils 15 Minuten für Fragen und Diskussionen eingeplant sind. Die ersten vier Vorlesungen finden von September bis Dezember jeweils mittwochs um 18.15 im Lichtspiel statt, gefolgt von einer Filmvorstellung um 20.00; die zweiten vier Vorlesungen finden von Februar bis Mai 2019 jeweils dienstags im REX statt, ebenfalls gefolgt von einer Filmvorstellung. Die Filme werden je einmal im Lichtspiel (Mittwoch 20.00) und zweimal im REX gezeigt (Dienstag 20.00 /Sonntag 16.00). Die REX-Abonnemente sind für die Filmgeschichte gültig (Vorlesungen und Vorstellungen).
1. Vorlesung
Geheimnisse des Lichtspiels
David Landolf, Leiter Lichtspiel / Kinemathek Bern
Lichtspiel, Mi. 19.9., 18:15
Seit 125 Jahren werden bewegte Bilder aufgenommen und projiziert. Herkömmliches Celluloid ist anschaulich und handfest. Wir lüften die Geheimnisse des Lichtspiels: Welches sind unsere Voraussetzungen, damit wir bewegte Bilder wahrnehmen können? Wie sind die Geräte zur Aufnahme und Wiedergabe von Filmen aufgebaut? Welche Meilensteine markieren die Geschichte der Kinematografie, und welche Zukunft hat der klassische Film auf fotochemischer Basis angesichts des Vormarsches der digitalen Technik?
2. Vorlesung
Nouvelle Vague
Fred van der Kooij
Lichtspiel, Do. 18.10., 18:15
Jean-Luc Godard, der mit 87 Jahren immer noch filmisch aktiv ist, wird als einer der bedeutendsten Regisseure des Kinos in die Geschichte eingehen. Der Filmwissenschaftler Fred van der Kooij stellt den Filmemacher durch die Analyse von zwei seiner Filme vor: Nouvelle vague (1990), Godards wohl schönster Film, und Masculin féminin (1966), eine raffinierte Vermischung von Spiel- und Dokumentarfilm und gleichzeitig eines von Godards unterschätztesten Werken.
3. Vorlesung
Dokumentarfilm
Till Brockmann
Lichtspiel, Do. 15.11., 18:15
In seinem einstündigen Referat erklärt der Filmwissenschaftler Till Brockmann, wie die Geschichte des Dokumentarfilms von filmtechnischen Entwicklungen und theoretischen Ansätzen begleitet wird. Auch bei Filmen, die sich «nur» mit der äusseren Realität befassen, bedingt der breite Spielraum an ästhetischen und formalen Entscheidungen ihre Wirkungsweise sowie ihre Aussagekraft in entscheidendem Masse.
4. Vorlesung
Neorealismus
Fred van der Kooij
Lichtspiel, Mi. 12.12. 18:15
Der italienische Neorealismo ist, filmisch betrachtet, mit zwei Regisseuren aufs engste verbunden, mit Roberto Rossellini und Vittorio de Sica. Wobei der erste sein Leben lang technisch ein Dilettant blieb und der zweite nach vier grandiosen Filmen, die er unmittelbar nach dem zweiten Weltkrieg machen konnte, künstlerisch kalt gestellt wurde – und zwar mit staatlicher Hilfe! Aber Ladri di biciclette, Miracolo a Milano (im Januar im Programm) und nicht zuletzt Umberto D. haben mehr als nur überlebt und sind heute noch als ebenso einfallsreiche, virtuos inszenierte wie politisch unbestechliche Meisterwerke zu bestaunen.
5. Vorlesung
Das Goldene Zeitalter Japans
Fred van der Kooij
REX, Di. 19.2. 18:15
Der Filmdozent und Filmemacher Fred van der Kooij analysiert in seiner 75-minütigen Vorlesung zentrale Aspekte im Schaffen von Kenji Mizoguchi.
Japan hat bis jetzt drei grosse, ja überragende Filmregisseure hervorgebracht. Der bekannteste ist gewiss Akira Kurosawa (1910-1998), dann Yasujiro Ozu (1903-1963) und schliesslich der zwar in den Olymp aufgenommene, aber zumindest im Westen recht stiefmütterlich gehandelte Kenji Mizoguchi (1898-1956). Umso dringender also, in unserer kleinen filmgeschichtlichen tour d’horizon Mizoguchi jene Ehre zu erweisen, die er mehr als verdient.
6. Vorlesung
Der weibliche Blick
Kathleen Bühler
REX, Di. 19.3. 18:15
Das Mainstream-Kino ist bis heute eine männerdominierte Industrie, in welcher klassische filmische Strategien herrschen. Dazu gehört die Aufgabenteilung in einen am männlichen Zuschauervergnügen ausgerichteten Blick sowie die Herrichtung der Frau als visuell konsumierbares Blickobjekt. Seit den 1960er-Jahren haben sich Filmschaffende, Kritikerinnen und Kritiker und das kritische Publikum gefragt, wie ein spezifisch weiblicher Blick im Kino ausschauen könnte und wie dies die Ästhetik des Films verändern würde. Unser filmhistorischer Rundgang schlägt einen Bogen von Stella Dallas (1937, King Vidor), einem Klassiker des «Frauengenres» Melodrama, der noch in einer herkömmlichen filmischen Ästhetik produziert wurde, zu No Home Movie (2015, Chantal Akerman), einem sehr persönlichen Film der feministischen Filmemacherin Chantal Akerman.
7. Vorlesung
Die Neue Sachlichkeit
Fred van der Kooij
REX, Di. 16.4. 18:15
G.W. Pabst galt vor dem zweiten Weltkrieg als einer der bedeutendsten Filmregisseure überhaupt. Aber heute kann die einzige deutschsprachige Monografie, die es über ihn gibt, Pabst «den grossen Unbekannten» nennen. Der Grund dafür ist schlicht ein moralischer; man wirft ihm vor, in Nazideutschland zwei Filme gedreht zu haben. Keiner davon kann auch nur ansatzweise propagandistisch genannt werden, aber dies hat ausgereicht, eine an Meisterwerken reiche Vorkriegskarriere in die Verdammung zu schicken. Dass dabei einem höchst raffinierten Techniker und fabelhaften Regisseur im Umgang mit Schauspielern aus dem Weg gegangen wird, scheint immer noch wenige zu kümmern.
Wir zeigen dazu im April-Programm Die Büchse der Pandora und Kameradschaft.
8. Vorlesung
Grenzbereiche des Kinos
Elke Kania
REX, Di. 14.5., 18:15
Wohin entwickelt sich der Film im Zeitalter technischer Innovation und allgegenwärtiger Streaming-Portale? Wo liegen Chancen innerhalb und jenseits des Kinodispositivs? Die Kunst- und Filmwissenschaftlerin Elke Kania betrachtet die Zukunft des Kinos zwischen zwei Grenzmarken: Das Kino des Minimalismus eines Béla Tarr zelebriert in langen, hypnotischen Tableaus mit nur wenigen Schnitten eine Allianz von Bewegtbild, Fotografie und Licht-Malerei, die erst im Kinoraum vollkommen erfahrbar wird. Die bereits legendäre Folge 8 der 3. Staffel von Twin Peaks (2017, David Lynch) belegt, wie der Avantgardefilm innerhalb von Streaming-Serienformaten ein neues Habitat gefunden hat. Erstmals auf der grossen Leinwand lässt sich exemplarisch an dieser Episode miterleben, was visionärer Kunstfilm im 21. Jahrhundert bedeutet: ein berauschend-intensives Serienerlebnis jenseits aller narrativen Konventionen, radikal in seiner Freiheit, mitunter überfordernd, gespickt mit Easter Eggs für den Fan der Kult-Serie und voller Schönheit für alle Liebhaber erhabener Filmkunst.
Eintrittspreise
Vorlesungen: CHF 14.-
Filmvorstellungen: CHF 17.-/15.-
Kombiticket Vorlesung plus Filmvorstellung (nur an der Kinokasse erhältlich): CHF 24.-
Wir danken für die Unterstützung: