Eo
PL/IT 2022, 86', DCP, OV/d. Ab 16 J., Regie Jerzy Skolimowski. Drehbuch Ewa Piaskowska, Jerzy Skolimowski. Mit Sandra Drzymalska, Isabelle Huppert, Lorenzo Zurzolo, Mateusz Kosciukiewicz.
Der polnische Regisseur Jerzy Skolimowski zeichnet in seinem so eigenwilligen wie visuell kraftvollen Spätwerk den Lebensweg eines Esels nach. Inspiriert von Robert Bressons Klassiker Au hasard Balthazar (1966) zeigt er eine Abfolge von Leidensbegegnungen, Glücksmomenten und surrealen Situationen zwischen Zirkus und Schlachthof, und dies immer aus der Sicht des Tieres.
Die Welt ist ein geheimnisvoller Ort, wenn man sie mit den Augen eines Tieres betrachtet. Auf seinem Weg trifft Eo, ein grauer Esel mit melancholischen Augen, gute und schlechte Menschen und erfährt Freude und Leid, aber zu keinem Zeitpunkt verliert er seine Unschuld.
«Das Brüllen eines Esels ist unglaublich laut. Es ist für die Kommunikation über raue Landschaften gedacht und kann aus mehreren Kilometern Entfernung gehört werden. Doch niemand scheint EOs Schrei zu hören. Er ist die Hauptfigur in Jerzy Skolimowskis Hommage an Arbeitstiere und die Natur. EO ist ein Nachfahre von Bressons Balthasar, durch seine Augen, die immer wieder in Großaufnahme gefilmt werden, erfahren wir unsere eigenen Dummheiten und Grenzen. Als EO von dem Zirkus, in dem er früher gearbeitet hat, getrennt wird, wünscht er sich nichts sehnlicher, als zurückzukehren, und erleidet auf seinem Weg zahlreiche Ungerechtigkeiten in einer Welt, die die Gefühle eines Esels größtenteils ignoriert.
Skolimowski, der einmal mehr beweist, dass es die ältesten Regisseure sind, die die größten formalen Risiken eingehen, filmt EOs Reise durch die menschliche Zivilisation wie Dantes Abstieg in die Hölle: monochromes Rot, verzerrte Linsen, rückwärts laufende Bilder. Die Kamera bewegt sich so frei, wie es EO nie erlaubt ist. Der Sinn für die Realität und für alles Lebendige ist erhöht. Es wird nur durch das Eindringen von Menschen in den Rahmen zerstört. EO verkörpert die hoffnungslose Würde des Beobachtens, ohne wirklich Teil der Dinge zu sein. In diesem Sinne ist der Blick des Esels leicht mit der Kinosituation zu verbinden. Die Kraft des Films zeigt sich darin, dass die Identifikation auch nach dem Abspann anhält.» Patrick Holzapfel, Viennale