Roma
Mexiko/USA 2018, 135', DCP, OV/d. Ab 16 J., Regie Alfonso Cuarón. Drehbuch Alfonso Cuarón. Mit Yalitza Aparicio, Marina de Tavira, Diego Cortina Autrey, Carlos Peralta, Marco Graf, Daniela Demesa, Nancy García García.
Eine Ode an die Frauen: Inspiriert von seinen Kindheitserinnerungen, hat Alfonso Cuarón (Gravity) einen atemberaubenden Film in betörendem Schwarzweiss gedreht. Die Netflix-Produktion gewann in Venedig den Goldenen Löwen und drei Oscars.
«Colonia Roma, Mexiko, 1970: Während politische Unruhen im Land toben, lebt Cleo als Hausangestellte bei einer Familie der oberen Mittelschicht. Als die Rückkehr des Familienvaters nach einer langen Geschäftsreise ausbleibt, hilft sie seiner Frau Sofia, die Einsamkeit zu überwinden, und kümmert sich liebevoll um deren vier Kinder, als wären es ihre eigenen. Cleo wird ein Teil der Familie, die sie weiter zusammenzuhalten versucht, als gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Studenten und Regierungsmilizen vor der Haustür eskalieren. Doch als sie selbst schwanger wird und ihr Freund das Weite sucht, wird sie, wie auch Sofia, mit der Aussicht konfrontiert, ihr Kind als alleinstehende Mutter grossziehen zu müssen.
Regisseur Alfonso Cuaróns intimer, herzzerreissender und bis ins letzte Detail durchkomponierter neuer Film basiert auf eigenen Kindheitserinnerungen, verhandelt aber nicht zuletzt ethnische und soziale Unterschiede in Mexikos Gesellschaft.» Zurich Film Festival
«Von sich selbst als Jungen erzählt Cuarón übrigens nicht. Insofern ist der autobiographische Hintergrund einerseits deutlich, andererseits nicht privat. Die Perspektive, aus der erzählt wird, ist fliessend, mal ist es Cleos Sicht, mal die der Kamera, die hierhin und dorthin sich wendet, geführt von Cuarón selbst (...). Seine Sicht ist also zentral, aber nicht an eine bestimmte Figur gebunden. Das gibt dem Film etwas Schwebendes, wie es Erinnerungen an sich haben. Gibt es eine Erinnerung an Filme dieser Art? Gibt es überhaupt Filme dieser Art? Als einzige filmhistorische Referenz scheint der italienische Neorealismus greifbar zu sein, jene lebenssatten Schwarzweißfilme etwa von Vittorio De Sica aus den vierziger und fünfziger Jahren oder auch später Fellinis Amarcord. (...) Tatsächlich aber verbindet Cuarón mit den alten Meistern vor allem die Kunst zu zeigen, welche Chancen die Menschlichkeit hat, wenn die Klassenverhältnisse ihr entgegenstehen. Wobei es hier Cleo ist, die in der Frage von Leben oder Tod die Klassenschranke hinter sich lässt.» Verena Lueken, «Frankfurter Allgemeine Zeitung»
«Mit Cleos Figur öffnet sich Cuaróns Film zum Zeitbild und Gesellschaftsporträt. Nachrichten von der Enteignung der indigen Bevölkerung dringen aus dem Radio in die Küche. In den Strassen begegnen Cleo paramilitärischen Aufmärsche, demonstrierende Studenten. Sie erlebt Machismo, Rassismus, ein Massaker an friedlichen Demonstranten. In Roma zeigt Alfonso Cuarón, dass auch in einem Ausbeutungsverhältnis echte Gefühle und wahre Bindungen entstehen können. Und es scheint, als werde er sich der Zuneigung für die Frau, die ihn mit aufgezogen hat, durch die Bilder der Erinnerung noch stärker bewusst.» Katja Nicodemus, «Die Zeit»«Weil Alfonso Cuarón schon länger zu den grossen Autorenfilmern des Kinos gehört – in einer Reihe mit François Truffaut, Federico Fellini oder Ingmar Bergman – liegen auch die Verbindungen zu deren stark autobiografischen Filmen auf der Hand. Roma ist in gewisser Weise seine Variante von Les quatre cents coups, sein I vitelloni oder sein Fanny und Alexander. (...) .» Annett Scheffel, «Süddeutsche Zeitung»