Das Juli/August-Programm hat Chiara Gardi zusammengestellt. Unter dem Titel «Utopie im Heute – Dios te salva» präsentiert sie Arbeiten von Edlyn Castellanos, Stephanie Francis-Shanahan, Maria Marshall und Johanna Reich.
Chiara Giardi
«Eine Utopie ist ein imaginärer Ort oder Zustand, in dem alles perfekt ist» (Oxford Dictionary). Sie ist so perfekt, dass sie nirgendwo existieren könnte, und so durchdacht, dass niemand dort leben möchte – würde ich hinzufügen. Ganz im Gegensatz zu unserer schönen, chaotischen Welt sind Utopien gleichbleibende, geschlossene Gesellschaften. Sie sind oft totalitäre Projekte, die von Vordenkern geschrieben und nicht von ihren Bewohnern erzählt werden. Der schmale Grat zwischen einer Utopie und einer Dystopie könnte also nur in einem Wechsel der Perspektive liegen: von der göttlichen zur irdischen, vom Zukunftsplan zum Hier und Jetzt. Kein Grund, in Panik zu verfallen und die Hoffnung auf ‹bessere› Gesellschaften aufzugeben! Die Gegenwart kann verändert werden, und das beginnt oft mit einer Prise Humor. Die Künstler:innen, die ich für dieses Kapitel ausgewählt habe, spielen mit christlichen Symbolen und verankern sie wieder in dieser Welt. Die Videos machen sich die heiligen Patrone und die Jungfrau Maria als schützende, feierliche Figuren zu eigen, indem sie humorvoll ‹camp› Collagen aus Nachrichten, Porträts und Glitzer erstellen. Diese kreativen Übernahmen sind Symbole der Widerstandsfähigkeit, der Hoffnung und des Strebens, die sichtbar in Konflikt mit dem oft konservativen und repressiven Glaubenssystem stehen, dem sie angehör(t)en. Die Heilige Maria, die Hauptprojektionsfläche für die Jungfräulichkeit als patriarchalischer Wert und Stigmatisierung der Sexualität, wird für uns alle Sünder beten, jetzt und in der Stunde unseres Todes.