Wie die anderen
Wie die anderen
Österreich 2015, 95', DCP, D. Regie Constantin Wulff. Drehbuch Constantin Wulff.
Constantin Wulff porträtiert in seinem Dokumentarfilm den Arbeitsalltag einer Kinder- und Jugendpsychiatrie nahe Wien als permanenten Balanceakt zwischen Behutsamkeit und Druck, Routine und Improvisation. Prägnante Beobachtungen verdichten sich zur berührenden, beunruhigenden Befragung einer Institution und ihrer gesellschaftlichen Funktion.
«Ich habe den Eindruck, dass psychische Krankheiten in hohem Masse stigmatisierend sind. Unter anderem deswegen, weil angemessene Bilder dafür fehlen », sagt Constantin Wulff. Entsprechend tritt der Schweizer Filmemacher an, diese Bilder entstehen zu lassen. Er hat für anderthalb Jahre im Landesklinikum Tulln in Niederösterreich das Leben der Patienten und Ärztinnen geteilt und schildert im Modus des Direct Cinema – also rein als Beobachter des Geschehens wie seinerzeit Frederic Wiseman in Titicut Follies – den psychiatrischen Alltag.
Oppositionelles Verhalten. Motorische Entwicklungsverzögerungen. Autoaggressive Verletzungen. Verdacht auf sexuellen Missbrauch. Wie können Institutionen reagieren? Was gibt der Gesetzgeber vor? Und wie kann man im Einzelfall therapeutisch intervenieren? Und wie sieht eigentlich der Alltag der Kinder und Jugendlichen aus? Mit grosser Sensibilität, aber auch mit grosser Klarheit versucht Wulff, beiden Positionen, denen der Patientinnen einerseits und denen der Ärzte, gerecht zu werden.
Das Projekt ist gewagt: Ein Dokumentarfilm, der Einblicke in die therapeutischen Prozesse einer Kinder- und Jugendpsychiatrie ermöglicht, das klingt aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes kaum machbar. «Aber kann ein derart differenzierter Dokumentarfilm die Menschen, die er zeigt, gefährden? Constantin Wulffs umstrittenes Institutionenporträt Wie die anderen ist ethisch so untadelig wie ästhetisch umsichtig.» (Stefan Grissemann, «Profil»)