Sieranevada
Sieranevada
Rumänien 2016, 173', DCP, Rumänisch/d. Ab 16 J., Regie Cristi Puiu. Drehbuch Cristi Puiu. Mit Mimi Branescu, Dana Dogaru, Sorin Medeleni.
Ein 40-jähriger rumänische Arzt trifft sich mit seinen Verwandten, um dem verstorbenen Familienoberhaupt zu gedenken. Es entspinnt sich ein monumentales Kammerspiel, in dem die dysfunktionale Grossfamilie zum Spiegelbild einer verunsicherten Gesellschaft wird.
Im neuen Film von Cristi Puiu (Der Tod des Herrn Lazarescu) versammelt sich eine Grossfamilie zum Gedenken an ihren vor 40 Tagen verstorbenen Patriarchen. Der ehemals erfolgreiche Neurologe Lary, der aus Paris in seine Heimatstadt Bukarest zurückgekehrt ist, trifft in einer kleinen Vierzimmerwohnung auf seine gesamte Sippe. Während die Familie auf die Ankunft des Priesters wartet, entbrennt eine Diskussion über aktuelle Ereignisse in der Welt, über Politik und Religion. Zwischen Vorbereitungen und Warten, im Hin und Her zwischen Küche und Flur, Wohn- und Schlafzimmer kommen vergessene Dinge zur Sprache und alte Konflikte flammen auf. Die Keimzelle der Gesellschaft, die Familie, dient Puiu einmal mehr als Spiegel weltanschaulicher Kontroversen. Der Film bezieht seine Spannung aus der Präzision des Blicks, aus der Konsequenz der in der beengten Wohnung gedrehten Beobachtungen. Die Kamera folgt den Protagonisten ebenso unauffällig wie unbarmherzig und erzeugt – wie häufig bei Puiu – eine dokumentarische Wirkung.
«Puiu lässt seinen Film bezeichnenderweise am 10. Januar 2015, also nur drei Tage nach dem Terrorattentat auf die Redaktion von Charlie Hebdo spielen. Die Verunsicherung durch dieses Ereignis sickert auch in die Familienzusammenkunft ein, ohne dass es zum dominanten Thema würde. Noch ausdrücklicher als in seinen bisherigen Filmen erzählt Puiu von einer Gesellschaft, die mit der Deutung der Gegenwart überfordert ist und Zuflucht in Meinungen sucht, die keinen Zusammenhalt mehr gewähren.» (Dominik Kamalzadeh, Der Standard)