Nuestro tiempo
Mexiko/Frankreich/Deutschland/Dänemark/Schweden 2018, 173', DCP, Spanisch/d/f. Ab 16 (16) J., Regie Carlos Reygadas. Drehbuch Carlos Reygadas. Mit Carlos Reygadas, Natalia López, Phil Burgers, Eleazar Reygadas.
Der Mexikaner Carlos Reygadas, bekannt geworden mit provokativen Filmen wie Japón, Stellet Licht oder Post Tenebras Lux (wir zeigen sie ab 2. Mai), hat einen Film geschaffen, der Western und Kammerspiel zugleich ist. Schonungslos seziert er die Widersprüche eines Paars, das eine offene Beziehung leben will. In den Hauptrollen: Reygadas selbst und seine Frau Natalia López.
Eine Familie lebt abgeschieden in der weiten mexikanischen Landschaft auf einer Ranch und züchtet Kampfstiere. Esther ist verantwortlich für den Betrieb der Ranch, während ihr Ehemann Juan, ein bekannter Dichter, die Bullen züchtet und zureitet. Als Esther sich in einen Gast der Ranch verliebt, scheint Juan unfähig, seine eigenen Erwartungen an sich selbst zu erfüllen.
«Der Film blickt ins versteckte Chaos einer Ehe. Beinahe drei Stunden lang ringen die Partner mit den Folgen der Aufrichtigkeit innerhalb ihrer offenen Beziehung. (...) Das könnte schnell einmal banal werden, doch Reygadas gelingt es immer wieder verblüffend gut, Privates in Grundsätzliches zu übertragen. Er interessiert sich dafür, was man sich theoretisch erlaubt, praktisch aber nicht zu erfüllen vermag; und damit für eine übersteuerte Maskulinität, die einfach nie loszulassen vermag. Dass sich Reygadas als ein Ehemann ins Bild setzt, der bisweilen wie ein lächerlicher Stalker wirkt, erscheint wie ein Bekenntnis, aber wer weiss? Als Filmemacher probiert er stilistische Ausdrucksformen durch, er will auch von den Engpässen der Kommunikation erzählen. Besonders nachhaltig brennen sich jedoch die Bullen der Ranch ins Gedächtnis ein: ein eindeutiger, aber dennoch eindrucksvoller Stellvertreter des gehörnten Ehemanns.» Dominik Kamalzadeh, «Der Standard»
«Nuestro Tiempo, ein Ewigkeitswestern: Natur ist das Blut an den Hörnern des Stiers, Moral die Erfindung des einzigen bekannten Tiers, das verzeihen kann, des Menschen. Dass die Heldin sich am Ende weigert, zu verzeihen, weil ihre Männer sie schlechter behandelt haben, als ein Mensch verdient hat, ist die schreckliche Grösse dieser gewaltigen Frauenfigur, in der Reygadas alles bündelt, was ihn bewegt. Wie aber spricht ein Film, der Hoffnung nur in Spuren von kaum erkennbaren Zeichen kennt, während er Schmerz direkt anschaut, vom Ideal, von der Erlösung?» Dietmar Dath, FAZ