Harmonium
Harmonium
Japan/Frankreich 2016, 118', DCP, Jap/d. Regie Koji Fukada. Drehbuch Koji Fukada. Mit Tadanobu Asano, Mariko Tsutsui, Kanji Furutachi, Taïga, Momone Shinokawa, Kana Mahiro.
Der Teufel könnte auch ein Engel sein und trägt ein rotes T-Shirt. Im Familienthriller Harmonium, mit dem der Japaner Koji Fukada in Cannes den Jurypreis der Sektion Un certain regard gewann, tun sich in aller Stille Abgründe auf.
In einer unauffälligen japanischen Vorstadt führen Toshio und seine Frau Akié zusammen mit ihrer Tochter ein scheinbar ruhiges Leben. Eines Morgens taucht ein alter Freund von Toshio in dessen Werkstatt auf, der zehn Jahre im Gefängnis gesessen ist. Zu Akiés Überraschung bietet Toshio ihm Arbeit und Unterkunft an. Nach und nach mischt sich der Freund ins Familienleben ein, bringt dem kleinen Mädchen das Harmoniumspiel bei und macht sich vorsichtig an Akié heran.
Koji Fukada über seinen Film:
Für mich stellt die Familie eine Absurdität dar. Der Mensch, von seinem Wesen her ein Individuum, lernt jemanden kennen, paart sich, macht Kinder und führt, als ob nichts gewesen wäre, ein Gemeinschaftsleben. Doch wenn man genau darüber nachdenkt, ist das seltsam. Warum mit anderen zusammenleben?
Die Menschen sind von Natur aus Lebewesen, die alle eine Einsamkeit in sich tragen, gegen die sie nicht ankommen. Ich wollte eine Familie beschreiben, in der sich jeder dieses Zustandes bewusst ist, aber trotz allem mit den anderen zusammenleben muss, was fatal ist. Das japanische Kino idealisiert die Familienbande, doch indem man so das veraltete und stereotype Bild einer «idealen Familie» verbreitet, leugnet man die verschiedenen Arten von Familie, die es tatsächlich gibt. Ich wollte unbedingt eine bereits zerrissene Familie beschreiben, denn wenn man die Auflösung einer Familie als Tragödie betrachtet, idealisiert man, was sie hätte sein können. Harmonium stellt das familiäre System in Frage, bringt es ins Wanken, zeigt die eigentliche Einsamkeit und macht die Bande sichtbar, die trotz allem fortbestehen. Ich glaube, mein Porträt der Familie im 21. Jahrhundert wird die Zuschauer ansprechen, die in einer Gesellschaft leben, in der man einzusehen beginnt, dass die Familie, die uns beschützte, indem sie uns erstickte, nichts als ein illusorisches Konstrukt war.