Aguirre, der Zorn Gottes
Aguirre, der Zorn Gottes
BRD 1972, 93', DCP, D. Regie Werner Herzog. Drehbuch Werner Herzog. Mit Klaus Kinski, Helena Rojo, Del Negro, Ruy Guerra, Peter Berling, Cecilia Rivera.
Mit seiner Darstellung des Konquistadoren Don Lope de Aguirre, der im Peru des Jahres 1560 eine Gruppe von spanischen Eroberern mit seinem Grössenwahn ins Verderben führt, hat sich Klaus Kinski ins kollektive Kinogedächtnis eingeschrieben. Aguirres Stunde schlägt, als der Kommandant Gonzalo Pizarro eine Vorhut stromabwärts schickt, die erkunden soll, ob sie der Fluss tatsächlich ins legendäre Eldorado führt. Aguirre reisst nach und nach das Kommando an sich und etabliert eine Tyrannei im Kleinformat. In einem goldenen Käfig führt er seine Tochter mit sich, an welcher er sich in seinen Endphantasien vergeht: Mit ihr will er eine Dynastie gründen, die den Kontinent beherrscht.
Es dauert überraschend lange, bis Kinski, der diesen Film ja geradezu personifiziert, in Erscheinung tritt. Zunächst inszenieren Werner Herzog und sein Kameramann Thomas Mauch die nebelverhangenen Anden als eine Naturlandschaft, in welcher der Mensch ganz klein ist – und in welcher ein selbst erwählter Übermensch wie Aguirre in seinem Anspruch grotesk deplatziert wirken muss. Laut Herzog soll sich Kinski wahnsinnig darüber geärgert haben, dass im Film zunächst die Natur die Hauptrolle spielt. Aus dem Dreikampf von Kamera, Regie und Kinski resultierte ein grossartiger Film über den Irrsinn des Kolonialismus und über die Reise eines Mannes ins dunkle Herz des Wahnsinns. Kinski, der durch die in sich gekehrte, brütende Präsenz unvergesslich ist, variiert im Wesentlichen eine Haltung, einen Blick: Immer wieder steht er, halb der Kamera zugewandt, in herrischer und zugleich getriebener Haltung auf dem Floss, auf dem der dem Verderben entgegentreibt. Und immer wieder ist da dieser unvergleichliche Blick eines Menschen, der den Abgrund gesehen hat: Kinski starrt in eine Ferne, die bedrohlich nahe ist – eine Ferne, die als Verdammnis in ihm selbst liegt. (all)