Das Kino hegt eine innige Verbindung mit apokalyptischen und dystopischen Szenarien – dies nicht zuletzt wegen des visuell spektakulären Potenzials, das diesen Untergangsvisionen eigen ist. Aus Anlass der Ausstellung «Weltuntergang – Ende ohne Ende» im Naturhistorischen Museum zeigen wir eine Retrospektive mit Klassikern und Entdeckungen, vom dänischen Stummfilm Verdens undergang über Kubricks Satire Dr. Strangelove und Romeros Night of the Living Dead bis zu Coppolas Apocalypse Now.
Möglichkeiten, wie diese unsere Welt ein Ende finden könnte, gibt es genügend – und das nicht erst seit Donald Trump. Doch gerade das Wiederaufkeimen nationalistischer Isolationspolitik und die damit verbundene Bedrohung durch Kriege jeglicher Art oder die Destabilisierung globaler Systeme (sozial, ökonomisch, ökologisch) zeugt davon, wie fragil unsere Existenz auf diesem Planeten ist. Untergangsszenarien sind keineswegs eine Erfindung unserer Zeit, erfreuen sich aber im Moment eben aufgrund dieser neuen komplexen Bedrohungen einer erhöhten Beliebtheit beim Publikum. Vor allem aus Hollywood findet sich ein stetiger Strom neuer Produktionen, die das Ende der Welt, wie wir sie kennen, voraussagen.
In der aktuellen Kinoproduktion überwiegen die actionreichen Szenarien: Die Zerstörung erfolgt durch Alien-Invasionen oder vom Menschen selbst generierte technologische Entwicklungen wie Viren oder Genmutationen. In ihnen drücken sich Ängste aus, selbst das Opfer einer nationalistischen Expansionspolitik zu werden oder sich durch die globale soziale Ungerechtigkeit einer Bedrohung durch das Fremde ausgesetzt zu sehen. H. G. Wells, dessen Roman «Der Krieg der Welten» (1898) als erstes berühmtes Beispiel der Invasionsthematik gelten mag, bezog sich in seiner Vision vom Einmarsch der Marsianer auf die britische Kolonialpolitik und die rücksichtslose Invasion des Empire in Afrika und Asien. Es kann also schon als ironisch gesehen werden, dass dessen aktuellste Verfilmung von Steven Spielberg der amerikanischen Seele 2005 eine Möglichkeit zur Verarbeitung des 9/11-Traumas verschaffen wollte, dabei aber Parallelen zur militärischen Invasion des Irak produzierte.
Die Bedrohung durch das Fremde, aktuell das wohl dominanteste Thema der US-Regierung und ihres cholerischen Präsidenten, ist aber nicht nur Ausdruck für Sorgen um nationale Konflikte, sondern ebenso Reflexionsfläche einer anwachsenden sozialen Ungleichheit. So waren die kulturellen Umsetzungen solcher Invasionen Mitte des 20. Jahrhunderts noch ideologisch motiviert, wie etwa in Don Siegels Film Invasion of the Body Snatchers (1956), der als Ausdruck der Angst vor Unterwanderung durch den Kommunismus gelesen werden kann. 12 Jahre später erschafft der junge Regisseur George A. Romero mit Night of the Living Dead (1968) einen Film, dessen Monster-Figur – der Zombie – sich über Jahrzehnte als produktive Folie für verändernde Ängste und Probleme der westlichen Gesellschaft erweist, vom hirnlosen Konsum einer voll und ganz kapitalistischen Welt bis zur Flüchtlingskrise im Nahen Osten. In Night of the Living Dead zeigt sich aber am eindrucksvollsten, wie schnell institutionelle Kontrolle verloren geht und der Nachbar, den man zu kennen meint, zur Bedrohung für das eigene Leben werden kann. Die Welt, wie sie war – so heimelig und sicher –, wird danach nie wieder so sein wie zuvor. Das Ende ist hier symbolisch, der Zusammenbruch einer Illusion von Sicherheit.
Dieses Sicherheitsgefühl basiert auf der Macht der Institutionen, sowohl der Staatsorgane des Inneren, die in Night of the Living Dead versagen, als auch der Staatsorgane des Äusseren, die zur selben Zeit am anderen Ende der Welt einen Krieg führen. Das Trauma des Vietnamkrieges, in dem die militärische Übermacht der USA an ihre Grenzen stösst, ist ebenfalls ein Weltuntergang. Im Konflikt mit dem kommunistischen Vietcong muss erstmals die vermeintlich weltoffene und positive Ideologie der USA, der es auf dem Papier um die Befreiung des Landes und die Errichtung einer Demokratie geht, eine herbe Niederlage einstecken. In Apocalypse Now Redux (1979) führt Francis Ford Coppola den Zuschauern vor, mit welcher Unmenschlichkeit das Unterfangen der Demokratisierung vorangetrieben wird und welchen individuellen Preis die US-Soldaten in der Hölle des Dschungels dafür zahlen. Das Grauen, dem Captain Willard (Martin Sheen) im Herz der Dunkelheit begegnet, wirkt sich auch in der amerikanischen Zivilbevölkerung aus – es zeigt das Ende eines grossen historischen Narrativs, die USA können sich nach Vietnam nicht mehr als rechtschaffene Befreier sehen.
Vietnam ist jedoch nur ein Stellvertreterkonflikt, liegt die eigentliche Bedrohung doch im Gegenpol der UdSSR, mit der sich die USA in einem bedrohlichen Kalten Krieg befinden. Der nukleare Machtvergleich und die ewige Drohkulisse stationärer und mobiler Raketenbasen in Reichweite des Gegners beflügeln die Endzeit-Fantasien auch in Hollywood. On the Beach (1959) von Stanley Kramer etwa zeigt nicht den Konflikt selbst, sondern konzentriert sich auf das langsame und schleichende Ende durch nukleare Verstrahlung und die Unmöglichkeit, einem solchen Ereignis zu entkommen. Selbst im abgelegenen Australien nimmt die Tragödie unaufhaltsam ihren Lauf. Dahingegen ringt Stanley Kubrick der «wechselseitig zugesicherten Zerstörung» in seinem Film Dr. Strangelove (1964) einen makabren Galgenhumor ab. Am Ende des Films wird die diplomatische Logik des Kalten Krieges als derart absurd entlarvt, dass allen Beteiligten nur der manische Ritt auf der Bombe bleibt. Unser eigener Erfindungsreichtum ermöglicht mit perfider Perfektion die Selbstzerstörung – die Atombombe als Zerstörerin der Welten, wie Oppenheimer weltbekannt die Bhagavad Gita zitierte.
Doch die wenigsten Filme, die das Ende thematisieren, sind so radikal und lassen nur noch Schutt und Asche im Nachhall von Atompilzen zurück. Vielmehr ist die Beschäftigung mit dem Ende ein Weg der Menschen, die aktuelle Situation unter neuen Gesichtspunkten zu betrachten und daraus neben der Kritik eben auch abzuleiten, welche Chancen in einem solchen Neuanfang zu liegen vermögen. Weltuntergang beinhaltet auch das Potenzial, es noch einmal neu und anders zu versuchen. So zeigt bereits einer der ersten Katastrophenfilme der Filmgeschichte, Verdens undergang (1916) von August Blom, ein Leben nach dem Untergang im finalen Bild des Films: zwei Menschen kniend vor den Ruinen einer Kirche, sich gegenseitig in den Armen haltend, den Blick zu Gott in den Himmel gerichtet.
Im symbolischen Neuanfang, in den einsamen Menschen, die sich eine veränderte und völlig zerstörte Welt neu urbar machen müssen, darin liegt der abschliessende Kommentar des apokalyptischen Films. Oder aber wir überlassen die Welt den Anderen, die sie vielleicht besser behandeln. So, wenn auch vermutlich subversiv verstanden, könnte man nämlich auch Franklin Schaffners Planet of the Apes (1968) verstehen, der nach den Menschen einer anderen Spezies an die Spitze der Evolution verhilft. Vielleicht, so die Hoffnung, machen die Affen es ja besser – wenn sie nur nicht die Fehler der Menschen wiederholen.
Lars Schmeink
Dr. Lars Schmeink ist freiberuflicher Journalist und hält eine Professur für Medienwissenschaft am Institut für Kultur- und Medienmanagement Hamburg. Er ist erster Vorsitzender der Gesellschaft für Fantastikforschung (GFF e.V.) und forscht seit Jahren im Bereich der Science-Fiction. Für das Naturhistorische Museum Bern war er beratend an der Ausstellung «Weltuntergang – Ende ohne Ende» tätig, zu der er auch einen Filmessay über Hollywoods Obsession mit der Apokalypse beigesteuert hat. Weitere Informationen unter: www.larsschmeink.de