Filmhistorische Einblicke in die Emanzipations-Geschichte der Frauen: Zum Jubiläum der Frauenzentrale Bern, die 2020 ihr 100-jähriges Bestehen feiert, präsentieren Veronika Minder und Béatrice Stucki rund um den 8. März im REX Filme von und mit Frauen aus 100 Jahren Kinogeschichte.
Veronika Minder, Béatrice Stucki
Als Kuratorinnen blicken wir mit Filmen von und mit Frauen ebenfalls auf einen Zeitraum von einem Jahrhundert zurück; wir stellen Pionierinnen vor und aktuelle Regisseurinnen, zeigen cinéphile Raritäten und kommerzielles Erzählkino. Mit einer Kurzfilmrolle streifen wir lustvoll durch die Jahrzehnte und haben dazu Gäste eingeladen, die anschliessend zu einer Gesprächsrunde bleiben.
Bei unserer Auswahl an Spiel-, Dokumentar- und Experimentalfilmen suchen wir nach einem weiblichen Blick auf Themenbereiche, die uns persönlich interessieren und beschäftigen: Beruf oder Berufung, Familienleben und Beziehungen, Menopause, Emigration, Frauenbewegung, Gendergerechtigkeit, junge Frauen, Frauen im Alter... Mit «Sois belle et tais-toi» geben wir während einer Woche einen kleinen filmhistorischen Einblick in die Emanzipations-Geschichte der Frauen im Kino, vom Stummfilm bis ins Heute. Vollständigkeit ist weder angestrebt noch ist sie letztlich erreichbar.
Das frühe Kino war massgeblich von eigenwilligen und selbständigen Frauen geprägt. Viele – wie beispielsweise Mary Pickford um 1920 – waren nicht nur Schauspielerinnen, sondern häufig auch Unternehmerinnen: Produzentinnen eigener Filme mit eigenen Studios. Nach dem 2. Weltkrieg hat sich Hollywood als Geschäfts- und stilbildendes Modell weitgehend etabliert. Sein Starsystem beherrscht das Filmbusiness, dessen Typecasting schränkt die künstlerische Freiheit, vor allem von Frauen, radikal ein. Mann bedient mit den weiblichen Stars – Marilyn Monroe, Brigitte Bardot oder Jane Fonda – die gängigen Klischees von Frauen als Heilige oder Huren. Sie müssen fast ausschliesslich Frauenfiguren spielen, deren Leben sich nur um Männer dreht. Intelligente Frauen sind nicht gefragt. Offen frauenfeindliches Verhalten ist in der Unterhaltungsbranche in den 1950er- und frühen 1960er-Jahren auch diesseits des Atlantik gang und gäbe.
SOIS BELLE ET TAIS-TOI
...es gurrt die Taube
...es gackert das Huhn...
und du du du
sei schön und halt die Klappe
(Serge Gainsbourg 1959)
1968 und die neue Frauenbewegung bringen frischen Wind in die Kinosäle, Papas Kino ist tot, und androgyne Looks sind bei den 20-Jährigen in. Frauen übernehmen wieder vermehrt Kameras, Mikrofone oder Regiestühle. Trotzdem bleiben die meisten Schauspielerinnen fremdbestimmt in der weiterhin von Männern dominierten Filmindustrie. Regisseurinnen sind selten, verfügen über kleinere Budgets – der sogenannte Gender Pay Gap – und sind an den Festivals kaum vertreten.
«Haben Sie heute schon einen Film von einer Frau gesehen?», fragten Filmarbeiterinnen noch in den frühen 1990ern an den Festivals von Berlin und Locarno. Kontinuierliche Arbeitsmöglichkeiten für Regisseurinnen gibt es weiterhin kaum – und schon gar nicht in Hollywood.
Heute, fast 30 Jahre später, ist vieles anders, jedenfalls in diesem Zeitfenster, hier im deutschsprachigen Raum. Die Berlinale 2019 widmete ihre Retrospektive den Frauen hinter der Kamera. Die Solothurner Filmtage verkündeten im Januar erfreut: «Die Hälfte der Kurzfilme ist von Frauen», gleichzeitig widmen sie die Retrospektive Heidi Specogna, einer engagierten Cinéastin. Endlich!
Kino von Frauen macht nämlich Spass. Regisseurinnen geben uns Mut, machen betroffen, sorgen für Ärger und regen zum Denken an. Und deshalb sehen wir uns zwischen dem 5. und dem 10. März jeden Tag mindestens einen Film von einer Frau an!
SOIS BELLE ET TAIS-TOI war einmal – heute heisst es: SILENCE! ELLES TOURNENT!
Veronika Minder ist Regisseurin und Kulturtäterin, Béatrice Stucki ist Grossrätin und ehemaliges Vorstandsmitglied der Frauenzentrale
Frauenzentrale Bern
Seit 100 Jahren engagiert sich die Frauenzentrale des Kantons Bern FZBE für die Gleichstellung von Frau und Mann in allen Lebensbereichen – mit politischem und sozialem Engagement. Das politische Engagement zielt vor allem auf eine Sozial- und Familienpolitik, die verschiedene Rollenverteilungen ermöglicht und unterschiedliche Lebensformen von Frauen und Männern zulässt. Das soziale Engagement umfasst Rechts-, Budget- und Vorsorgeberatung sowie Alimenteninkasso.
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