Die Ausstellung «Without Restraint» im Kunstmuseum Bern (3. Juni bis 23. Oktober) präsentiert eine Auswahl von Werken zeitgenössischer mexikanischer Künstlerinnen, deren Schaffen ebenso vielfältig wie provokativ ist. Begleitend dazu zeigen wir von Juni bis Oktober Filme mexikanischer Regisseurinnen und Regisseure, welche die Rolle der Frau in der mexikanischen Gesellschaft thematisieren.
Die Werke der Ausstellung stammen aus der Daros Latinamerica Collection (Zürich) – der grössten und wichtigsten Sammlung ihrer Art in Europa – und sind erstmals zusammen unter einem Dach zu sehen. Die Fotografien, Videos, Objekte und Installationen von Ximena Cuevas (*1963), Claudia Fernández (*1965), Teresa Margolles (*1963), Betsabeé Romero (*1963), Maruch Sántiz Gómez (*1975), Teresa Serrano (*1936) und Melanie Smith (*1965) greifen das Konzept der nationalen Identität in Mexiko auf und stellen die traditionelle Rolle und den sozialen Raum in Frage, die Frauen und Minderheiten von der herrschenden Machthierarchie zugewiesen werden. Die sieben Künstlerinnen unterwandern die bestehende Ordnung des Alltags und die Routine, die Frauen in ein Labyrinth tradierter Archetypen verbannen, und tragen dadurch zu einem umfassenderen feministischen Diskurs bei. Themen wie Leben und Tod, der geschändete Körper, Identität und Migration, Natur und Metropole werden in ihren Werken kritisch untersucht. Die Ausstellung «Without Restraint» thematisiert exemplarisch sowohl den Einsatz vieler Künstlerinnen im gegenwärtigen Mexiko für die Gleichberechtigung der Frau und den Respekt gegenüber den indigenen Volksgruppen als auch den Kampf der mexikanischen Bürgerinnen und Bürger gegen die Unsicherheit und für die Stärkung des Rechtstaats.
Begleitend zu dieser Ausstellung zeigt das Kino REX von Juni bis Oktober jeweils am Mittwochabend und am Freitagnachmittag Filme mexikanischer Regisseure und Regisseurinnen, die sich mit der Rolle der Frau in der mexikanischen Gesellschaft befassen. Zwei Meisterwerke von Emilio Fernández, einem der erfolgreichsten Repräsentanten des «Goldenen Zeitalters» der mexikanischen Filmindustrie der 1940er-Jahre, stehen dabei exemplarisch für die enge Verflechtung zwischen einer archetypischen Darstellung der Frau und dem Konzept der nationalen Identität im post-revolutionären und machistischen Mexiko. In den Filmen einer jüngeren Generation von Regisseurinnen wie Busi Cortés, Dana Rotberg, Guita Schyfter und Marisa Sistach wird dagegen und komplementär dazu eine ganz andere weibliche Identität sichtbar gemacht. Die Arbeiten dieser Frauen decken die Stereotypen in der patriarchalischen Diskussion in Mexiko auf und präsentieren den Betrachterinnen und Betrachtern eine «neue» weibliche Identität, die sich bewusst mit Themen wie Sexualität und Geschlecht auseinandersetzt. Schliesslich wird mit Paul Leducs Verfilmung des Lebens der berühmten Künstlerin Frida Kahlo dem Publikum die Möglichkeit gegeben, über die Konstruktion ihres Mythos’ als Aussenseiterin und Rebellin nachzudenken.
Die Ausstellung und die Filmreihe wurden anlässlich der Feierlichkeiten für den 70. Jahrestag der diplomatischen Beziehungen zwischen der Schweiz und Mexiko organisiert. Die Filme werden dank der Vermittlung der Mexikanischen Botschaft in Bern vom Ministerium für auswärtige Angelegenheiten in Mexiko zur Verfügung gestellt.
Valentina Locatelli
Die Autorin ist Kuratorin der Ausstellung im Kunstmuseum Bern