Mit seinen Kurzfilmen einmal quer durch das Gesamtwerk des Finnen: Wie in den Langfilmen liebt Aki Kaurismäki auch in der Kurzversion seine Figuren viel zu sehr, um diese ihrem tragischen Schicksal zu überlassen.
Schon in den ersten Fingerübungen – Musikvideos für die Sleeply Sleepers und die vorerst fiktive, später auf Tournee gehende Komödien-Band Leningrad Cowboys – finden sich vom Himmel gefallene glückliche Wendungen. Etwa im Happy End von Thru the Wire (1987), wo unverhofft ein blonder Engel in einem weissen Chrysler den verfolgten Sträfling rettet; oder wenn der hünenhafte Boxer Igor in Rocky VI (1986) unvermittelt Gefühle zeigt – gespielt vom unvergesslichen Sakari Kuosman, der in Shadows in Paradise, Drifting Clouds und Juha herzerweichende Rollen übernehmen wird. Zu entdecken ist in diesem Kaurismäki-Pocket-Guide auch Kati Outinen. Kaurismäki schickt sie in Dogs Have no Hell hoffnungsfroh und vereint mit dem aus dem Gefängnis entlassenen Geliebten ins ölreiche Sibirien. Die kurzen Filme sind «schnell hingeworfene Skizzen» (Peter von Bagh), die sich aber wie die langen durch Aberwitz, Lakonie und Figuren mit wahrhaften Gefühlen auszeichnen.
Beat Schneider
Rocky VI
1986; 9' ohne Dialog (s/w) Mit Sakari Kuosmanen, Silu Seppälä, Mato Valtonen, Matti Pellonpää
Die legendäre finnische Punkrockband Sleepy Sleepers wurde 1975 gegründet und spielte bis 1985 neunzehn Alben ein. Sie liefert neben den beiden Hauptdarstellern auch den Soundtrack für das vorliegende Musikvideo, eine witzig-überdrehte, chaplineske Rocky-Parodie. Der Hüne Igor lebt in der russischen Taiga im Schlaraffenland, bis ihn Manager auf Hundeschlitten in den Boxring bringen. Hier trifft er auf das schmächtige Ami-Bürschchen Rocky.
L. A. Woman
1987; 4' ohne Dialog (s/w)
Ein vierminütiger Konzertmitschnitt der rockenden Leningrad Cowboys, die den titelgebenden Doors-Song interpretieren.
Thru the Wire
1987; 6' ohne Dialog (s/w) Mit Nicky Tesco, Marja-Leena Helin, Mato Valtonen, Sakke Järvenpää
Irgendwo zwischen Alabama und Utah gelingt einem Sträfling die Flucht aus dem Gefängnis, um in der namenlosen Stadt, in Bars und Hotels irgendwie von seinen Mühen erlöst zu werden. Genreingredienzen des Gefängnis-Ausbruchsfilms und Stummfilm-Ästhetik prägen dieses Musikvideo der Leningrad Cowboys.
Rich Little Bitch
1987; 5' ohne Dialog (Farbe)
Der Konzertmitschnitt der finnischen Rockband Melrose erfolgte während des Drehs von Hamlet Goes Business.
Those Were the Days
1991/92; 5' ohne Dialog (s/w) Mit Silu Seppälä, Kirsi Tykkyläinen, Leningrad Cowboys
La vie de bohème im Paris des Jahres 1994, als die Leningrad Cowboys noch mit Eseln unterwegs waren und sich ihre Füsse und Hufe wund liefen, bis sie sich durchgefragt hatten zu dem einen Café mit der blonden Schönen und ihrem gealterten Elvis-Verschnitt aus der heimatlichen Sippe der Schnabelschuhträger mit den erigierten Frisuren.
These Boots
1992/93; 5' ohne Dialog (Farbe) Mit Mato Valtonen, Anu Frosterus, Kirsi Tykkyläinen, Leningrad Cowboys
Eine Chronik Finnlands von den frühen Fünfziger- bis in die späten Sechzigerjahre – durch die Augen eines heranwachsenden Leningrad Cowboys gesehen, der nicht nur an der Flasche hängt, sondern auch mit allen Attributen seiner Gattung ausgestattet ist. Das «kommerzielle» Musikvideo zur dritten Leningrad-Cowboys-LP.
Always Be a Human (Oo aina ihminen)
1996; 5' ohne Dialog (Farbe)
Der Leitsatz, der für alle Filme Kaurismäkis zutrifft, bezeichnet auch einen Kurzfilm mit dem Auftritt des Sängers Markus Allan. Kaurismäki verhalf dieser finnischen Tangolegende der Sechzigerjahre mit Drifting Clouds und zwei LPs zu einer zweiten Karriere.
Dogs Have No Hell
2002; 10' OV/e (Farbe) Mit Markku Peltola, Kati Outinen, Marko Haavisto
Kaurismäki eröffnet mit seinem Beitrag den Episodenfilm Ten Minutes Older – er nutzte diesen auch, um das Zusammenspiel der beiden Schauspieler Kati Outinen und Markku Peltola auszutesten, die in The Man Without a Past ein Paar spielen sollten. Ein Mann wird aus dem Gefängnis entlassen und erhofft sich mit seiner ehemaligen Geliebten einen Neuanfang in Sibirien.
Bico
2004; 5' OV/e (Farbe)
1989 kehrte Kaurismäki Finnland den Rücken, das ihm zu amerikanisch geworden sei. Bico ist ein kurzer lyrischer Dokfilm über ein portugiesisches Dorf in den Bergen und seine Einwohner.
Valimo
2007; 4' ohne Dialog (Farbe)
Der Episodenfilm-Beitrag entstand zum Sechzig-Jahr-Jubiläum des Filmfestivals von Cannes. Tag und Nacht arbeiten die Männer in der Giesserei, bis sie der Hunger überfällt und sie einen Film schauen.