Tourisme International / Au bord du fleuve
In diesem Doppelporgramm zeigen wir die beiden mittellangen dokumentarischen Arbeiten Tourisme international von Marie Voignier und Au bord du fleuve, sur la frontière sino-coréenne von Noja.
TOURISME INTERNATIONAL
Frankreich/Nordkorea 2014, 48 Min., DCP, OV/e
Regie, Drehbuch: Marie Voignier
«Wie filmt man ein Land, das jedes unkontrollierte Bild untersagt? Das darüber hinaus eine Maschine der Propaganda und der Desinformation betreibt, die unzählige die Wirklichkeit überlagernde Bilder herstellt. Marie Voignier hat Nordkorea als Touristin besucht, geleitet von staatlichen Kontrolloren, und Kunstschulen, Fabriken, Gedenkstätten, Filmstudios und vieles andere gefilmt. Und dann einen genialen Schachzug der Verfremdung angewendet, indem sie die stumm und gespenstisch verschwiegen bleibenden Aufnahmen mit einer hinzuerfundenen Tonspur versehen hat. Eine faszinierende, erhellende, beredte Reisegeschichte der anderen Art.» Viennale
«Marie Voigner begibt sich auf eine Gruppen-Reise durch Nordkorea, besucht Museen, Malerateliers, Filmstudios und Chemiefabriken. Was sie dabei zu sehen bekommt, ist nichts als eine Show, gross wie das ganze Land – eine durch und durch orchestrierte Propagandatour. Voigner zeichnet die Tour auf. Wie filmt man ein Land, das kein ungeprüftes Bild nach aussen dringen lässt? Wir sehen, wie die Touristenführer Gedenkstätten präsentieren, hören die Hintergrundgeräusche der Szenerien, doch ist die Sprache der Personen auf seltsame Weise abwesend. Die Regisseurin hat ihnen die Stimmen abgedreht und nachträglich ein vollständig von den Bildern abgekoppeltes Klanguniversum inszeniert. In diesem geisterhaften Ton verhallen die Bemühungen der Touristenführer im Nichts und offenbaren die Zwänge des Regimes umso deutlicher. Mit Hilfe dieses klugen Schachzuges gelingt es Tourisme International, die Bildermaschine eines Landes zu unterlaufen, das sich in ständiger Selbstinszenierung befindet.» Internationale Frauenfilmfestival Dortmund
AU BORD DU FLEUVE, SUR LA FRONTIÈRE SINO-CORÉENNE
Frankreich, China, Nordkorea 2005, 56 Min., Digital, OV/e
Regie, Drehbuch: Noja
Die Grenze zwischen China und Nordkorea ist nicht nur eine geografische: Der Fluss, der die beiden Länder voneinander trennt, hatte früher jedoch etwas Verbindendes: China, der «grosse Bruder» im Norden, bewahrte den kleinen Nachbarn vor in seinen Augen imperialistischen Gefahren des Westens. Doch dieses Bild hat sich heute gewandelt, und wenn die Menschen sich auf den jeweiligen Ufern des Grenzflusses gegenüber stehen, ist von Gleichgesinnung nichts mehr zu merken. Au bord du fleuve, sur la frontière sino-coréenne ist eine Reiseerzählung der besonderen Art, entlang eines Flusses, der hier auch als psychologische Grenze fungiert. Die nordkoreanischen Soldaten, die ihren Wachdienst versehen, kommen im Winter über das zugefrorene Wasser zum Handeln und - wenn das wenige Geld nicht reicht - zum Betteln. Es ist eine Reise in eines der stärksten isolierten Länder der Welt und zugleich in die Vergangenheit: Am Ende fährt die Kamera Nojas über den Fluss hinweg nach Pjöngjang, und nach kilometerlangen menschenleeren Strassen erreicht man wie zum Spott den nie vollendeten kommunistischen Regierungspalast der Stadt.
«Ich wuchs in der Stadt Dandong, am unteren Abschnitt des Flusses Yalu auf, genau gegenüber von Nordkorea. Was ich als Kind über das Nachbarland auf der anderen Seite des Grenzflusses wusste, war das, was wir im Klassenzimmer gelernt hatten: Die Nordkoreaner waren unsere engsten Freunde, wir hatten ihnen geholfen, die amerikanischen Imperialisten zu besiegen und wir sollten Nordkorea als unseren jüngeren Bruder betrachten. Diese brüderliche Atmosphäre herrschte bis in die frühen 90er-Jahre. Zu dem Zeitpunkt begann Chinas Politik der Reform und Offenheit erste Resultate zu zeigen. Doch während die Vitalität Chinas klar ist, wenn man sich die Vielzahl an entstehenden Hochhäusern vor Augen führt, hat sich die Landschaft am nordkoreanischen Ufer des Flusses nichts geändert. Der einzige Unterschied besteht darin, dass uns die Leute auf der anderen Seite des Wassers ganz und gar nicht mehr willkommen zuwinken.» Noja