Tár
US 2022, 158', DCP, E/d. Regie Todd Field. Drehbuch Todd Field. Mit Cate Blanchett, Mark Strong, Nina Hoss, Noémie Merlant, Adam Gopnik.
Wahnsinnig kontrolliert - und dennoch verloren: Cate Blanchett als geniale Dirigentin, die auf dem Höhepunkt ihrer Karriere ihre Macht missbraucht und an ihrem Ego scheitert.
«Tár ist Kraftakt und Kunstwerk, ein hoch erstaunliches Drama. Müsste man ihm eine Triggerwarnung voranstellen, dann vielleicht: ‹Leute, es ist nicht alles so einfach.› Schon nur den Nachnamen der Dirigentin der Berliner Philharmoniker, Lydia Tár, kann man zu «rat» oder zu «art» umdrehen, je nachdem. Und so, wie Cate Blanchett diesen weiblichen Maestro in der Männerwelt spielt, mit dieser gelehrten Eloquenz, mit der sie alle herausfordert und nervt und den Musikstudenten runterputzt, der keine alten weissen Komponisten mehr spielen will – so wird Lydia Tár zu einem ziemlich vielschichtigen Fall in einem sehr genau recherchierten Film (wer Mahlers Fünfte und Caroline Shaw kennt, ist hier richtig).
Tár lebt mit ihrer Konzertmeisterin (Nina Hoss) und der Tochter zusammen, scheint aber öfter mal verstörende Geräusche zu hören. Sie steigert sich in die Kunst hinein und nutzt ihre Macht aus, besonders im Zusammenhang mit jungen Frauen. Die Dissonanzen werden heftiger, weil sie irgendwann mit Vorwürfen konfrontiert wird, die sie nicht mehr einfach so als Auswüchse jener Geistlosigkeit wegwischen kann, die sie so verabscheut. Tár wurde deshalb schon als Cancel-Culture-Drama bezeichnet. Aber wenn hier etwas deutlich ist, dann die Ambivalenz. Regisseur Todd Field erzählt rhythmisch und hält den Pegel konstant hoch, vor allem (aber nicht nur) wegen der in jeder Metronomsekunde wahnsinnig kontrollierten Cate Blanchett. Bis man am Ende völlig baff dasitzt.» Pascal Blum, «Züritipp»