Tadmor
Tadmor
Frankreich/Schweiz/Libanon 2016, 90', DCP, OV/d/e. Ab 16 J., Regie Monika Borgmann, Lokman Slim. Drehbuch Monika Borgmann. Mit Ali Abou Dehn, Moussa Saab, Moustafa Shamseddine, Raymond Bouban, Saadedine Saifeddine.
Aus einem Trauma wird Kino: Monika Borgmann und Lokman Slim dokumentieren, wie ehemalige Häftlinge des Gefängisses von Palmyra ihre Erinnerungen noch einmal Wirklichkeit werden lassen. Der Film ist beides: Therapie und Anklage.
Ein Jahr nach dem syrischen Aufstand von 2012 beschliessen acht libanesische politische Gefangene, ihr Schweigen zu brechen über die langen Jahre, die sie im Gefängnis von Tadmor (Palmyra) verbrachten, dem schlimmsten Folterkerker des Assad-Regimes. Da Worte allein nicht genügen, um die Grausamkeit, das Leid, die Verachtung und die Angst, die sie überlebten, zu beschreiben, entschliessen sie sich, ihre Qualen gemeinsam noch einmal zu durchleben. Tadmor ist die Geschichte ihres Lebenswillens.
Das deutsch-libanesische Regisseurpaar Monika Borgmann und Lokman Slim beherrscht die Mittel der filmischen Re-Inszenierung. 2004 rekonstruierten sie in ihrem Film Massaker das grauenhafte Morden in den libanesischen Palästinenserlagern Sabra und Shatila aus Sicht von sechs Tätern.
«Tadmor ist ein berühmt-berüchtigtes Gefängnis. Bis 1946 diente es der französischen Armee im Rahmen ihres internationalen Mandats in Syrien und im Libanon als Kaserne und wurde 1980 zum Schauplatz eines der schlimmsten politischen Gemetzel der Geschichte: Tausende Muslimbrüder wurden in seinen Mauern als Vergeltung eines Anschlags auf den syrischen Präsidenten Hafiz al-Assad ermordet. Das von dem Dichter Faraj Bayrakdar «Königreich des Todes und des Wahnsinns» genannte Bauwerk wurde von den IS-Kämpfern 2015 bei ihrer Einnahme von Palmyra zerstört. Syrische und libanesische Regimegegner waren dort eingesperrt. Acht von ihnen erzählen in diesem Film von dem erlebten Grauen oder stellen es nach. Sie leiden unter den Erinnerungen an die grausame Zeit, die sie an diesem Ort der Folter und der Erniedrigung erlebt haben. Diese im Rahmen einer fast theatralischen Inszenierung selbst nachzuspielen, ist zugleich anklagender Akt und befreiende Therapie. Ein erstaunlicher Film, der mit der Kraft der Worte, der schlichten Plastizität der Bilder und der Widerstand leistenden Resignation der gefilmten Körper in seinen Bann zieht.» (Luciano Barisone, Visions du réel)
«Tadmor vermeidet die Falle des Voyeurismus, weil die Gewalt hier eben nicht theatralisch herausgestellt, sondern fast kriminologisch als Teil des Gefängnisalltags beschrieben wird. Den Männern gelingt dabei ein Drahtseilakt: Sie entblösn sich in ihrer nachempfundenen Angst und Erniedrigung und erscheinen dennoch als souverän Handelnde. Sie fordern den Zuschauer auf, weiter hinzusehen. Weil das, was sie zeigen, passiert ist.» («Die Zeit»)