Im dritten und letzten Programm mit mittellangen Filmen zeigen wir Meshes of the Afternoon von Maya Deren, Flaming Creatures von Jack Smith und Chicorée von Fredi M. Murer.
Meshes of the Afternoon
USA 1943, 14 Min., Digital, stumm
Regie: Maya Deren, Alexander Hammid
Drehbuch: May Deren
Mit: Maya Deren, Alexander Hammid
Nach dem Zweiten Weltkrieg war es die Filmemacherin Maya Deren, welche die künstlerische Qualität des europäischen Surrealismus in die USA importierte und damit zur Pionierin der Avantgarde-Bewegung wurde. Meshes of the Afternoon beginnt mit dem Platzieren einer Blume auf einem beschaulichen, von Palmen am Rand verzierten Weg durch die Hand einer Mannequinpuppe. Schon allein diese ersten Szenen des Films zeigen, dass dies kein plausibles Universum ist, in dem wir uns bewegen. Die Hand, die von oben ins Bild herein greift, wirkt künstlich, könnte sogar als Gottes Hand interpretiert werden. Der Film folgt dann der Frau, die die Blüte vom Strassenrand aufhebt. Diese Frau wird von Maya Deren selbst gespielt und ist Dreh- und Angelpunkt des Films.
«Maya Derens Film ist ein enigmatisches Meisterwerk durch und durch. Die innovativ gestalteten Bilder, düster und irritierend, und die fantastische Montage, die sämtliche Grenzen der Logik und des Verstandes einrennt, fügen sich zu einem brillant funktionierenden Film zusammen, der meditativ und hochgradig lyrisch wirkt. Meshes of the Afternoon ist mit Sicherheit eines der schönsten, herausfordernsten Stücke Film aller Zeiten, ein surreales, verstandbeugendes Gedicht.» (Björn Last)
Flaming Creatures
USA 1963, 45 Min., 16mm, stumm
Regie, Drehbuch: Jack Smith
Mit: Frances Francine, Sheila Bick, Joel Markman, Mario Montez
Der Filmemacher, Fotograf, Performer, Zeichner und Autor Jack Smith (1932–1989) wurde lange Zeit vor allem als Underground-Ikone wahrgenommen. Heute wird sein eminenter Einfluss auf die Kunstgeschichte deutlich, Stichworte: Camp-Ästhetik, Queer-Culture, Performance, New American Cinema.
«In minutiös komponierten Tableaus arrangiert Flaming Creatures die Obsessionen von Smith als scheinbar improvisiertes Gelage: Sternberg’sche Texturen und der billige Glamour von Maria Montez sind Ausgangspunkte für eine delirierende, polysexuelle Orgie starker Posen und schlaffer Geschlechtsteile, denen das verwaschene Filmmaterial eine halluzinatorische Qualität verleiht. Bei ihrem Erscheinen wegen Obszönität verboten, erweist sich die Sprengkraft von Smiths visionärer Komödie retrospektiv in ihrer Lust an der apokalyptischen, anarchischen Utopie: selbstbewusstes Kindertheater als Billig-Paradies.» (C.H., Filmmuseum Wien)
Chicorée
Schweiz 1966, 27 Min., 16mm, stumm
Regie, Drehbuch: Fredi M. Murer, Urban Gwerder
Mit: Urban Gwerder
Protagonist im eigensinnig-verspielten Künstlerporträt Chicorée ist der Zürcher Poet Urban Gwerder. In Anlehnung an den Surrealismus zeigt Fredi Murer Alltagsszenen aus Gwerders Familienleben in Schwarzweiss, während die Ausflüge in seine Traumexistenzen bunt sind. Gwerder träumt, er sei Slavador Dalí, die Beatles und Frank Zappa.
«Fredi Murers Chicorée ist ein Schlüsselwerk des damaligen Neuen Schweizer Films, ein filmisches Bijou obendrein. Es geht in diesem Film um Autonomie und Selbstverwirklichung, und gelegentlich bricht reine Anarchie durch, etwa in der Geschirr-Reinigungs-Sequenz im Schwarzweiss-Alltag des Films oder im farbig gedrehten Ausschnitt aus einem Ostermarsch, in dem sich Gwerder mit einer Schrifttafel ,Wollt ihr den totalen Urban’ als einziger Teilnehmer der Kundgebung vorwärtsbewegt. Doch Fredi Murer macht kein kopflastiges Politkino, sein Film lebt vom Bild und von der Montage. Höhepunkt in dieser Hinsicht ist eine Action-Painting-Szene gegen Ende des Films.» (Felix Aeppli)