Lingui
Tschad 2021, 87', DCP, Arabisch/Französisch/d/f. Ab 16 (16) J., Regie Mahamat-Saleh Haroun. Drehbuch Mahamat-Saleh Haroun. Mit Achouackh Abakar, Rihane Khalil Alio, Youssouf Djaoro.
Ein starkes Plädoyer für die Kraft weiblicher Solidarität im Kampf gegen eine zutiefst patriarchale Gesellschaft: Der neue Film des tschadischen Regisseurs Mahamat-Saleh Haroun (Daratt) lief dieses Jahr im Wettbewerb von Cannes.
Amina verdient ihren kargen Lebensunterhalt mit der Herstellung kleiner Feuerschalen, die sie mit grosser Handfertigkeit aus dem Draht alter LKW-Reifen bildet. Recycling pur. Ihre 15-jährige Tochter Maria besucht das Lycée. Sie kennt ihren Vater nicht, denn der hat die Mutter verlassen, nachdem er sie geschwängert hatte. Amina wurde damals von der Schule verwiesen und von ihrer Familie ausgestossen. Nun droht der Tochter das gleiche Schicksal. Maria will abtreiben, die Mutter beschliesst, sie zu unterstützen. In einem Land, in dem das Gesetz streng bestraft und die Religion eine einschränkende moralische Macht ausübt, wirkt der Kampf aussichtslos. Wie anderswo ist die heimliche Abtreibung teuer, wenn sie unter guten Bedingungen durchgeführt wird. Vereint mit den Frauen des Quartiers kämpft Amina für die Selbstbestimmung ihrer Tochter.
Der tschadische Filmemacher Mahamat-Saleh Haroun (Daratt) greift ein universelles Thema auf (...) und behandelt dieses filmisch auf die für ihn typische Weise: Das Drama bezieht seine immense Kraft aus der konsequenten Reduktion der Mittel. Haroun beobachtet die Umgebung genau, taucht in die Vororte der pulsierenden Hauptstadt N’Djamena ein, nähert sich in ihren Gassen den Menschen, die sie beleben. Am meisten berührt jedoch die Solidarität der Frauen – das «heilige Band», das das titelgebende Wort Lingui meint. Im Lauf der Handlung entdecken Mutter Amina und Tochter Maria, dass sie nicht so isoliert sind, wie sie dachten, und dass sie es sind, die Geschichte machen.
Vorfilm: Vin Diesel et ma grand-mère
von Muriel Weyermann, DCP, 17 Min., OV/d
In ihrem Dokfilm, der im Rahmen des Lehrgangs Film an der Schule für Gestaltung Bern entstanden ist porträtiert Muriel Weyermann die tschadische Schauspielerin Mariam Hunwanou AbdelaZiz. Mariam spielte schon als Kind Sketches für die Familie und in der Schule für ihre Kameradinnen und Kameraden. Früh verspürte sie den Wunsch, Schauspielerin zu werden. Sie wird als Jugendliche von ihren weiblichen Familienmitgliedern unterstützt und sammelt erste Schauspielerfahrungen. Doch was bedeutet es für ein junge Frau im heutigen Tschad diesem Traum nachzugehen? Da man in vielen patriarchalen Gesellschaften eine sicherere Stellung als verheiratete Frau hat, lässt sich Mariam früh religiös trauen und wird Mutter. Nachdem sich Mariam von der Geburt erholte, wollte sie ihre Berufung weiterverfolgen. Es folgt eine Scheidung und ein Dasein als Alleinerziehende. Anstatt sich von diesem Schicksalsschlag runterzukriegen, bastelt sie weiter an ihrer Karriere. Sie fängt mit Englischunterricht an und verschafft sich eine Finanzierung für eine Weiterbildung in Filmproduktion. Denn auch wenn sie sich weiterhin gegen negative Stimmen behaupten muss, darf Mariam immer wieder auf die Liebe und Verlässlichkeit ihrer Grossmutter zählen. Der Grossmutter wurde noch gelernt, dass Mädchen lieber nur 1-2- Jahr zur Schule geschickt werden sollten, damit sie gute Hausfrauen werden. Gleichzeitig gab es in ihrer Jugend sogar mehrere Kinos in der Hauptstadt, N’Djamena. Heute leider kein einzig öffentlich zugängliches Kino mehr. Ihre Solidarität mit dem Schicksal der Enkelin ist erfrischend und weise. Sie weiss genau wie sie soziale Normen im Laufe der Zeit ändern können.
Den Vorfilm zeigen wir in Anwesenheit von Muriel Weyermann in der Vorstellung vom Montag, 20.12., 20:00.