Komik der Verzweiflung: Der Palästinenser Elia Suleiman zeigt in seinem Film den Alltag in Israel als absurde Routine der Zerstörung.
«Nazareth ist eine Stadt im Nahen Osten mit einem ganz gewöhnlichen Alltag und Quartierleben. Da finden sich auch kleine Spannungen an einer Strasse und um einen Mann, der berufliche Probleme hat und die Dinge in die Hand nehmen will. Sein Sohn lebt in Jerusalem, und er muss seine Liebste, die aus Ramallah stammt, immer am Checkpoint ausserhalb der Stadt treffen. Sie darf nicht rein, so wollen es die israelischen Vorschriften. Regeln, Verhaltensmuster, Irrläufe und viel Zwischenmenschliches betrachtet der Palästinenser Elia Suleiman in seiner wunderbaren Komödie, die in einer Zeit entstanden ist, in der es nichts zu lachen gibt. Der Regisseur mimt die Hauptfigur des verhinderten Verliebten gleich selber und mit einem stoischen Ausdruck, der an Buster Keaton erinnert, während vielen der stillschweigenden Szenen der grosse französische Komiker Jacques Tati Pate gestanden hat. Poesie, Witz und Liebe trotzen da den Widerwärtigkeiten des Alltags.
Die Situation im Nahen Osten erscheint auswegslos, Hardliner auf allen Seiten verunmöglichen den Dialog. Geopfert wird das Volk. Kann das Kino da überhaupt einen Beitrag zum Geschehen leisten? Interessiert das noch jemanden, oder sind, wie zu Zeiten des Vietnamkriegs, alle schon müde von den täglichen Nachrichten von Anschlägen und Gegenanschlägen? Müde auch, weil es nur noch Vergeltung gibt auf allen Seiten?
Elia Suleiman lässt sich auf dieser Ebene auf die Konflikte im Nahen Osten gar nicht erst ein. Sein Film setzt im ganz Kleinen an, im Alltag, bei den Gesten, bei der verkümmerten Kommunikation zwischen Menschen, in der Groteske des Aneinandervorbeilebens. Viele der Szenen, die er lakonisch filmt, könnten irgendwo auf der Welt aufgenommen sein, und vieles in seinem Film erinnert auch an die ganz grossen Lakoniker der Filmgeschichte, an Buster Keaton, den grössten Stummfilmkomiker und genialsten Filmpionier, an Jacques Tati, den meisterlichen Beobachter, oder an Aki Kaurismäki, den sanftmütigen Nordländer von der traurigen Gestalt.
Elia Suleiman reiht sich mit seiner Gabe, den einfachsten Begegnungen jegliche Polemik zu nehmen und sie auf die schiere Absurdität der jeweiligen Situation zu reduzieren, nahtlos in dieses Meistertrio ein. Und er schafft das Undenkbare: Wir sitzen im Kino mit all den Nachrichten im Kopf und beginnen befreiend zu schmunzeln und zu lachen angesichts des Stumpfsinns, den Menschen praktizieren können in ihrem ganz gewöhnlichen Alltag. Mit diesem Film reagiert tatsächlich ein Pazifist auf einen unhaltbaren Zustand.» Walter Ruggle, Trigon Film