Incendies
Kanada 2010, 131', DCP, OV/d/f. Regie Denis Villeneuve. Drehbuch Denis Villeneuve. Mit Lubna Azabal, Maxim Gaudette, Melissa Desormeaux-Poulin, Abdelghafour Elaaziz, Rémy Girard.
Zwei Geschwister werden durch ihre verstorbene Mutter auf eine Mission ins Kriegsgebiet im mittleren Osten geschickt. Denis Villeneuve erzählt in seinem aufwühlenden Film mit der erzählerischen Sprengkraft einer klassischen Tragödie vom gnadenlosen Kreislauf von Gewalt – und von der Lebenskraft, die alles überwindet.
Die in Kanada lebenden Zwillinge Jeanne (Mélissa Désormeaux-Poulin) und Simon (Maxim Gaudette) sehen sich nach dem Tod ihrer Nawal Marwan (Lubna Azabal) mit einem außergewöhnlichen Testament konfrontiert. Sie sollen ihren Vater ausfindig machen, von dem sie glaubten, er sei tot. Und sie sollen ihren Bruder finden, dessen Existenz ihnen bislang unbekannt war. Während Simon sich zunächst gegen den Auftrag sträubt, reist Jeanne in den Nahen Osten, in das Herkunftsland ihrer Familie. Sie erfährt, dass die Mutter dort 15 Jahre im Gefängnis saß, weil sie einen führenden Politiker erschossen hatte.
«In teils realistischen, teils poetisch verklärten Bildern schildert Incendies zwei parallele Handlungen, zum einen die Reise der Kinder und die Suche nach dem Geheimnis ihrer Familie, zum anderen die Geschichte der Mutter vom Beginn ihrer ersten Liebe und der Geburt ihres ersten Kindes an. Dabei enthüllt der Film nach und nach eine Wahrheit, die so unglaublich ist, dass er die Spannung über 130 Minuten mühelos hält. Einerseits geht es um ein höchst persönliches Schicksal, zugleich aber um ein universelles Thema, das auch jene Menschen berührt, die das Glück haben, in einer Friedensepoche aufgewachsen zu sein: Wie unter dem Druck fürchterlichster Erlebnisse auch der Überlebenswille wächst – und die Kraft, seine Kinder zu retten. Ganz bewusst hat Denis Villeneuve die Handlung nicht namentlich im Libanon verankert, genauso wenig wie dies der aus dem Libanon stammende und heute in Kanada lebende Theaterautor Wajdi Mouawad tat, dessen Stück Incendies dem Film als Vorlage diente. Beide Kunstwerke siedeln die Handlung in einem nicht genannten Land an und benutzen fiktive Städtenamen, obwohl das reale Vorbild deutlich erkennbar ist. Aber mit der Verweigerung der historischen Verankerung machen sie deutlich, dass diese Geschichte überall spielen könnte.» Peter Gutting, Kino-Zeit.de