In den Gängen
Deutschland 2018, 125', DCP, D/f. Ab 12 (16) J., Regie Thomas Stuber. Drehbuch Clemens Meyer, Thomas Stuber. Mit Sandra Hüller, Franz Rogowski, Peter Kurth, Henning Peker, Ramona Kunze-Libnow.
Wo Gabelstapler Walzer tanzen: Thomas Stuber entfaltet in seiner Liebesgeschichte, die 2018 an der Berlinale gefeiert wurde, eine magische Choreografie von Menschen und Dingen, Realität, Sehnsucht und Traum.
Christian ist neu im Grossmarkt. Schweigend taucht er in das unbekannte Universum ein: die langen Gänge, die ewige Ordnung der Warenlager, die surreale Mechanik der Gabelstapler. Bruno, der Kollege aus der Getränkeabteilung, nimmt sich seiner an, zeigt ihm Tricks und Kniffe, wird ein väterlicher Freund. Und dann ist da noch Marion von den Süsswaren, die ihre kleinen Scherze mit Christian treibt. Als er sich in sie verliebt, fiebert der ganze Grossmarkt mit. Doch Marion ist verheiratet – nicht sehr glücklich, wie es heisst. Plötzlich ist sie krankgeschrieben. Christian fällt in ein tiefes Loch. So tief, dass sein altes, elendes Leben ihn wieder einzuholen droht.
«In den Gängen ist eine einzige Lektion in Menschlichkeit, und das vor einer ganz besonderen historischen Folie. Nicht von ungefähr sind fast alle am Film Beteiligten einschliesslich der bravourösen Laiendarsteller noch gebürtig in der DDR – die besondere Kollegialität, die ruppige Herzlichkeit und verschmitzte Widerständigkeit rettet der Film hinüber in die kalte Welt des Warenkapitalismus und liefert damit auch ein politisches Statement. Es sind Manifeste der Unbeugsamkeit, die der verschworene Betrieb trotzig gegen die Welt da draussen und die neuen Chefs da oben verteidigt. Und auch die zarte Liebschaft zwischen Christian und Marion wird ebenso wohlwollend wie fürsorglich begleitet. Wobei mit ‹Liebschaft› eigentlich schon zu viel gesagt ist. Wie Ildikó Enyedis On Body and Soul ist auch In den Gängen ein Film der Andeutungen, genährt aus dem besonderen Miteinander in ehemals sozialistischen Betrieben. Zu mehr als einer gemeinsamen Pause am Kaffeeautomaten, einem Tête-à-Tête bei Minusgraden auf der Laderampe während der Weihnachtsfeier und – Höhepunkt – einem Eskimokuss in der Tiefkühlabteilung kommt es zwischen Marion und Christian nicht. Aber wie Sandra Hüller und Franz Rogowski ihr Spiel der forschen Annäherung und des zarten Zurückziehens, der scheuen Beobachtung und harschen Abwendung in minimalistisch kleine Gesten pressen, ist ein einziges Fest der Schauspielkunst.» Christina Tilmann, NZZ