Il buco
Italien/Frankeich/Deutschland 2021, 93', DCP, OV/d/f. Ab 16 (16) J., Regie Michelangelo Frammartino. Drehbuch Michelangelo Frammartino. Mit Claudia Candusso, Paolo Cossi, Nicola Lanza.
Inspiriert von der riskanten Erforschung der titelgebenden Höhle Il Buco im Kalabrien des Jahres 1961, hat der Italiener Michelangelo Frammartino einen fast wortlosen, visuell und akustisch fesselnden Film an der Grenze zwischen Dokumentation und Fiktion gedreht. Seine meditative Expedition ins Innere des Seins und der Zeit wurde in Venedig mit dem Spezialpreis ausgezeichnet.
Während des Wirtschaftsbooms der 1960er-Jahre wird im wohlhabenden Norden Italiens das höchste Gebäude Europas gebaut. Am anderen Ende des Landes erkundenjunge Höhlenforscher im unberührten Hinterland Kalabriens die tiefste Höhle Europas. Ihr Weg führt fast 700 Meter hinab in die dunklen Schächte Schlundes. Das Unterfangen bleibt von den Bewohnern eines kleinen Nachbardorfes unbemerkt, nicht aber von dem alten Hirten der Pollino-Hochebene, dessen einsames Leben sich mit der Reise der Gruppe zu verflechten beginnt.
Michelangelo Frammartino (Le quattro volte) inszeniert mit dokumentarischen Mitteln und in einem minimalistischen Stil einen Film von organischer Schönheit, der in unbekannte Tiefen des Lebens eintaucht. Mit kristallklaren Aufnahmen der Wildnis und ohne gesprochene Dialoge oder musikalische Einlagen wird seine Werk zu einer fesselnden Meditation.
«Il Buco ist das existenzielle Gegenteil einer Bergbesteigung: Es ist eher eine Mondmission - und doch auch das Gegenteil davon: eine Reise nach innen in eine dunkle, unbekannte Welt unter unseren Füßen, die durch ein seltsames Loch zugänglich ist. Es gibt herzzerreißende Szenen, in denen die jungen Wissenschaftler eine aus einer Zeitschrift herausgerissene Seite in Brand setzen und das brennende Papier in die schwindelerregende Leere fallen lassen müssen, um ein Gefühl für die Tiefe zu bekommen: ein umgekehrter Raketenstart. Doch die Existenz dieser Höhlenforscher, wie auch die der Landschaft, der Tiere und des Hirten, wird von Frammartino ohne Dialog wiedergegeben. Wir sehen sie meist aus der Ferne zusammen murmeln, als würden sie von Wesen von einem anderen Planeten oder von den jahrtausendealten Geistern der Höhle, die sich im Himmel niedergelassen haben, beobachtet werden. Der Film lehnt es ab, seinen Sinn oder seine Daseinsberechtigung preiszugeben, und fordert uns auf, über etwas nachzudenken, das ausserhalb des Zeitablaufs liegt.» Peter Bradshaw, «The Guardian»