
HÄRTE
Rosa von Praunheim schildert in seiner Dokufiktion mit schonungsloser Wucht das Leben des früheren Zuhälters und Karate-Champions Andreas Marquardt.
Ein dunkles Familiengeheimnis. Ein kleiner Junge, der sich nicht wehren kann.Aus dem Buben, der Andreas Marquardt heisst, wird später ein Karate-Champion und ein ebenso berüchtigter wie kaltherziger Zuhälter. Er verdient sehr viel Geld – bis er im Knast landet und die Vergangenheit ihn einholt.
Schonungslos ehrlich schildert Regisseur Rosa von Praunheim in dieser Dokufiktion das Leben von Marquardt und seiner Freundin Marion, die immer zu ihm gehalten hat. Gedreht hat der Regisseur mit Darstellern in stilisierten Kulissen, welche die Atmosphäre der 1960er-Jahre auferstehen lassen. HÄRTE ist der ungeschminkte Bericht über eine von Gewalt beherrschte, gestohlene Kindheit, über extreme Jahre im Rotlichtmilieu und eine schwierige Rückkehr in eine bürgerliche Existenz. Andreas Marquardt galt bis zu seiner Verhaftung Mitte der Neunzigerjahre als einer der gefährlichsten Zuhälter in der Berliner Halbwelt. Im Gefängnis vertraut er sich einem Therapeuten an und spricht erstmals offen über das, was er in seiner Kindheit durchleiden musste: Der Vater war ein sadistischer Schläger, der die Familie früh im Stich liess, und von der Mutter wurde er jahrelang systematisch sexuell missbraucht. Obwohl diese seelischen Wunden sicher nie ganz verheilen werden, hat Andreas Marquardt es geschafft. Er brachte die Kraft auf, sich dem Einfluss der Mutter zu entziehen und den Weg zurück ins Leben zu finden.
«Die Szenen aus Marquardts Jugend lässt Rosa von Praunheim nachspielen, erstmals hat der Regisseur mit professionellen Schauspielern gearbeitet. Formal ist die Mischung aus Dokumentar- und Spielfilm gelungen; die inszenierten Szenen sind in düsterem 70er-Jahre-Schwarz-Weiss und strengen Studiokulissen gedreht, das garantiert das – unbedingt nötige – Mindestmass an Distanz. (...) Was Menschen aus Liebe tun, was sie sich antun lassen, hat man selten so quälend realistisch gesehen. Furchtbar überzeugend ist schliesslich auch Katy Karrenbauer als Andys Mutter. Mit ihrer rauchigen Stimme gibt sie den Vamp, der – mit subjektiver Kamera gefilmt – den kleinen Mann verführt. Es gibt am Ende doch Momente der Versöhnung im Film – glücklicherweise aber nicht mit dieser Monster-Mutter.
(Martina Knoben, «Süddeutsche Zeitung»)