Fortuna
Schweiz 2017, 106', DCP, F/d. Ab 12 (14) J., Regie Germinal Roaux. Drehbuch Germinal Roaux. Mit Kidist Siyum Beza, Bruno Ganz, Patrick D’Assumçao, Assefa Zerihun Gudeta, Yoann Blanc.
In rigorosem Schwarzweiss erzählt der Lausanner Regisseur Germinal Roaux (Left Foot Right Foot) die Leidensgeschichte der 14-jährigen Fortuna, die nach der Flucht aus Äthiopien in einem katholischen Kloster in den Schweizer Alpen strandet. Als Pater überzeugt Bruno Ganz in einer seiner letzten Rollen.
«Bitte erhöre mein Gebet. Du weißt, dass ich deine Hilfe brauche. Du weißt, dass ich allein bin. In einem Land, das ich nicht kenne. In einer Sprache, die ich nicht spreche. In einem Leben, das ich nicht verstehe. In einem Kloster, mitten im vom Schnee bedeckten Bergmassiv des Schweizer Simplon, faltet die 14-jährige Fortuna, vor einer Marienstatue kniend, die Hände zum Gebet. Ein Foto erinnert an ihre Eltern, die sie seit der traumatisierenden Überquerung des Mittelmeers nicht mehr gesehen hat. Wie viele andere Geflüchtete ist das äthiopische Mädchen bei katholischen Ordensbrüdern untergekommen – übergangsweise, bis ihr Aufenthaltsrecht geklärt ist. Einsam und voller Sehnsucht nach Geborgenheit trägt Fortuna ein Geheimnis in sich, von dem sie nicht einmal dem Vorsteher des Ordens erzählen kann. Mit einem Bogen aus Bildern, vom gewaltsam brausenden Meer bis zur erhaben drohenden Gebirgskette, zeichnet Germinal Roaux das Porträt einer Gestrandeten und lotet die Grenzen der Liebe aus.» Berlinale
«Während die Bilder der dramatischen Überfahrt Fortuna immer noch verfolgen, birgt sie ein Geheimnis, das sie bisher nur mit der Jungfrau Maria geteilt hat. Als sie sich ihrem Geliebten und Leidensgenossen, Kabir anvertraut, weist dieser zunächst alle Verantwortung von sich. Wütend verlangt er von ihr, das Kind, das sie von ihm erwartet, abzutreiben. Dann aber lenkt er versöhnlich ein, bleibt aber nach einer Razzia verschwunden. Wenn die Geschichte zwischen christlicher Sanftmut - das vierte Evangelium Johannes wird deutlich zitiert - und Gewalt hin und her wechselt, bleibt vieles unausgesprochen. Die Stimme des Herzens, verkörpert durch die Bruderschaft der Mönche, konfrontiert die mal streng eingehaltenen, mal differenziert angewandten Regeln der aktuellen Asylpolitik. Fortuna ist eine Reflexion über eine der grössten Tragödien des frühen 21. Jahrhunderts, fern des üblichen politischen oder religiösen Diskurses. Ein Film, dessen spirituelles Echo, die Stimmen der Welt, die Reinheit der Bilder mit dem Gewicht der Tatsachen vereint. Durch die Darstellung des beispielhaften Schicksals der jungen Protagonistin, stellt der Film die Frage der persönlichen Verantwortung eines jeden Einzelnen – jenseits der bürokratischen Ausreden und behördlicher Anordnungen, allein dem Mitgefühl verpflichtet.» Jean-Louis Kuffer