Die Geträumten
Die Geträumten
Österreich 2016, 89', DCP, D/f. Regie Ruth Beckermann. Drehbuch Ruth Beckermann. Mit Anja Plaschg, Laurence Rupp.
Die Liebe zwischen Ingeborg Bachmann und Paul Celan ist Thema dieses intimen, bewegenden Films. Die österreichische Regisseurin Ruth Beckermann vergegenwärtigt die dramatische, rauschhafte, aber auch unendlich traurige Geschichte, indem sie zwei junge Schauspieler den Briefwechsel der beiden Liebenden lesen lässt.
Die Liebesgeschichte zwischen Ingeborg Bachmann und Paul Celan beginnt 1948, als sie 22 und er 27 Jahre alt ist, und sie endet mit dem Suizid Celans 1971 in Paris. Für Ingeborg Bachmann ist es die grosse Liebe ihres Lebens, und doch hört sie nie auf, in ihm den Fremden zu sehen und ein bisschen wohl auch zu fürchten: einen Juden aus Czernowitz, dessen Eltern im Holocaust umgekommen sind, während sie selbst nichts dergleichen erlebt hat. Sie liebt ihn und stösst an Grenzen, an ihre eigenen und an seine. Es geht nicht immer nett zu in diesen packenden Briefen. In einem Moment des Zweifels fragt sie: «Sind wir nur die Geträumten?»
Zwei junge Schauspieler treffen sich im Tonstudio, um daraus zu lesen. Die dramatisch schwankenden Gefühle der Briefe – zwischen Rausch und Verlustangst, Entzücken und Erschrecken, Nähe und Fremdheit – gehen auf die Schauspieler über. Aber sie amüsieren sich auch, streiten, rauchen, reden über Tattoos und Musik. Ob die Liebe damals oder die Liebe heute, ob Inszenierung oder Dokumentation: Wo die Ebenen verschwimmen, schlägt das Herz des Films.
«Ingeborg Bachmann und Paul Celan gehören in die Reihe grosser, moderner Liebender. Ihre Liebe ist einerseits einzigartig, sie steht aber auch paradigmatisch für die Möglichkeit und Unmöglichkeit einer Begegnung nach der Katastrophe des Krieges und der Vernichtung. Die wohl wichtigsten deutschsprachigen Dichter der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ringen um jene Fragen, die ich mir selbst immer wieder gestellt habe: Was bedeutet Liebe in unserer modernen bzw. post-modernen Zeit? Wie viele Generationen weit reicht die Zerstörung von Empathie und Vertrauen durch die NS-Ideologie in deren Kernländern Deutschland und Österreich? Sind Leben und Kunst vereinbar?» (Ruth Beckermann)
«Es gibt mehrere starke Szenen, in denen Distanz und Annäherung, Faszination und Abwehr in einem einzigen, widersprüchlichen Gesichtsausdruck festgehalten werden. (...) Mit den hervorragenden Schauspielern und der konzentrierten Bildsprache gelingen Ruth Beckermann jedoch über weite Strecken paradoxerweise schöne Anklänge an ein altes Überwältigungskino. (...) Da mag sich der skeptische Zuschauer fragen: Genügt das fürs Kino? Allerdings – und wer davon nicht sofort in den Bann gezogen wird, ist im falschen Film.» (Süddeutsche Zeitung)
«Die souveränste, auch stillste Form, von der Liebe und dem Kino zu erzählen, fand dann aber Ruth Beckermann, deren neuer Film ebenfalls die Grenzen zwischen Sein und Schein, Fiktion und Dokumentarismus auflöst. (...) Die Geträumten ist ein überaus zarter, von Johannes Hammel perfekt fotografierter Film, der nicht bloss von zwei historischen Gestalten, sondern von vier hochempfindlichen Künstlern – besser noch: vom Wesen der Emotion selbst – handelt.» (Profil)