Die 120 Tage von Bottrop
Deutschland 1997, 60', Digital HD, D. Regie Christoph Schlingensief. Drehbuch Oskar Roehler, Christoph Schlingensief. Mit Margit Carstensen, Irm Hermann, Volker Spengler, Udo Kier, Helmut Berger, Mario Garzaner, Sophie Rois, Martin Wuttke, Bernhard Schütz, Herbert Fritsch, Leander Haussmann, Frank Castorf.
Die Überlebenden der Fassbinder-Familie finden sich noch einmal zusammen, um auf der Grossbaustelle Potsdamer Platz den wirklich allerletzten Neuen Deutschen Film zu drehen, ein Remake von Pasolinis Die 120 Tage von Sodom - Salò o le 120 giornate di Sodoma. Christoph Schlingensiefs harter Schlag gegen die deutsche Filmkunst - zeitlos aktuell!
Alles geht schief: Regisseur Schlingensief wird zum Aufnahmeleiter degradiert und durch einen gewissen Sönke Buckmann ersetzt, dem Katja Riemann prompt den Bundesfilmpreis überreicht. Film als Albtraum – oder umgekehrt. Produzent Volker Spengler bespringt Komparsen, während Bundesinnenminister Kanther in einer Einspielung von der Bundesfilmpreisverleihung Katja Riemann und Till Schweiger – Heroen deutscher Filmkunst – huldigt; Irm Hermann liefert sich, in Erinnerung an gute, alte Fassbinder-Zeiten, eine Schlammschlacht mit Margit Carstensen … Letztere stürzt sich frustriert aus dem Fenster, als sie plötzlich realisiert, dass Fassbinder tot ist; Christoph Schlingensief (Martin Wuttke im Gewand des Dornen gekrönten Jesus Christus) verzweifelt an seinen organisatorischen Unfähigkeiten; die grössenwahnsinnige Leni Riefenstahl taucht auf dem Kamerabock auf; Irm Hermann mutiert angesichts dieses Umstandes zu Lieselotte Pulver … Und alle fragen sich fortwährend, ob und wann denn nun Helmut Berger am Set eintreffe. Gleichzeitig hetzt Agent Schlingensief mit Anzug und Handy durch das heisse Hollywood, trifft auf japanische Touristen, Udo Kier und den Regisseur Roland Emmerich. Das Filmprojekt muss schließlich scheitern, stellvertretend für den von Schlingensief todgeweihten Neuen Deutschen Film.
Die 120 Tage von Bottrop sind Hommage und Abgesang an Fassbinder, an die Exzentrik und an den Wahnsinn einer längst vergangenen Zeit – und zugleich ein harter Schlag gegen die deutsche Filmkunst.
«Deconstructing Riefenstahl und Fassbinder: Die deutsche Krankheit Film, der Triumph des Willens zur Komödie, all das muss totgemacht werden. Einer musste diesen schmutzigen Job erledigen. Er hat es für uns getan.» Taz