In meisterhaft arrangierten Bilderströmen von berückender Schönheit und sinnlicher Wildheit erzählt George Ovashvili (The Other Bank) in seinem neusten Spielfilm Corn Island die Geschichte eines zarten Erwachens und einer Freiheitssuche.
Jeden Frühling ist im georgischen Enguri-Fluss zu beobachten, wie die Strömung grosse Mengen an fruchtbarem Boden aus dem Kaukasus-Gebirge in die an dessen Fusse liegenden Ebenen befördert. Dort bilden sie mitunter kleine, bepflanzbare Inseln. Der alte Bauer Abga will sich eine solche zu Nutze machen und das Fleckchen Land mit Mais bepflanzen. Zu diesem Zweck baut er sich auf einer der neu entstandenen Inseln eine Hütte, in die er gemeinsam mit seiner Enkelin Asida zieht – fortan stets mit der Gefahr lebend, dass der Boden unter ihren Füssen jederzeit weggespült werden könnte. Eines Tages findet Asida in den spriessenden Maisfeldern einen Soldaten, der im tobenden Konflikt zwischen Georgien und der Region Abchasien schwer verwundet wurde. Sie beschliesst, ihn zu verstecken. Doch seine Verfolger lassen nicht lange auf sich warten.
«Corn Island ist gerade deshalb ein grosses Kunstwerk, weil das Drama etwas schwer Greifbares über das Wesen der menschlichen Existenz erzählt und das in einer kraftvoll reduzierten Filmsprache, die jenseits von Worten wirkt. Die Bilder sind wie aufgeladen von Erfahrungen jenseits des fiktionalen Raumes. Die Entstehungsgeschichte des Films selbst gehört genauso dazu wie die Tradition der georgischen Filmgeschichte, in der er steht.» (Oliver Kaever, «Der Spiegel»)
«Vom schwelenden ethnischen Konflikt zwischen Georgien und Abchasien, in den sich auch Russland einmischt, lenkt der Regisseur lieber ab. Er setzt dennoch ein deutliches Zeichen vom Einbruch kriegerischer Gewalt, die mit einer humanen Geste zurückgewiesen wird. Für ihn spricht die Natur das letzte Wort: die im Kern gute der Menschen und die der Gewalten, die Leben schaffen, es wieder vernichten, um es wieder neu erstehen zu lassen. Ihre Sprache spricht die Kamera, die von Anfang an mit auffälliger Dynamik das Eiland umkreist, als folge sie den Strömungen, als beäuge sie misstrauisch das Stück Land, das von ihr selbst geschaffen, von Menschenhand, durch die Zivilisation verändert und nutzbar gemacht und zuletzt wieder eingefordert wird. Die Schlichtheit des Films, seine sorgfältige beredte Bildsprache sagen alles. Das ist mehr als genug. Das ist ein kleines Meisterwerk.»
(Marli Feldvoss, epd-Film)