Advocate
Israel/Kanada/Schweiz 2019, 110', DCP, OV/d. Ab 16 (16) J., Regie Rachel Leah Jones, Philippe Bellaïche. Drehbuch Rachel Leah Jones. Mit Léa Tsemel, Michel Warschawski, Hanan Ashrawi.
Léa Tsemel ist Israels prominenteste und umstrittenste Menschenrechtsanwältin. Sie war viele Jahre lang die einzige jüdische Anwältin, die bereit war, politische palästinensische Gefangene zu verteidigen. Rachel Leah Jones und Philippe Bellaïche begleiten Tsemel in einem ihrer schwierigsten Fälle. Advocate war auf der Shortlist für den Dokumentarfilm-Oscar 2020.
«Losing lawyer», antwortet Léa Tsemel trocken in einem Fernsehinterview, als sie nach ihrem Beruf gefragt wird. Tatsächlich verteidigt die jüdische Anwältin seit Jahrzehnten meist erfolglos palästinensische Angeklagte. Im besten Fall schafft sie es, dass geforderte Strafmass zu mildern. Trotzdem kämpft sie unermüdlich gegen die Willkür der israelischen Justiz und wählt ihre Klienten sorgsam aus.
Das fesselnde Porträt begleitet Tsemel in einem von der israelischen Öffentlichkeit minutiös mitverfolgten Fall: Die Verteidigung von Ahmad Manasra, einem minderjährigen Palästinenser, der des Mordversuchs angeklagt ist. Ihr persönliches Engagement und den emotionalen Preis, den sie und ihre Familie zu zahlen bereit sind, zeigen die ideologische Zerrissenheit der israelischen Gesellschaft. Zugleich zeigen sie, wieviel Kraft nötig ist, um inmitten dieses Spannungsfeldes die eigene Menschlichkeit zu bewahren.
«Am ergreifendsten sind jedoch Interviews mit Tsemels Ehemann, dem bekannten antizionistischen Aktivisten Michel Warschawski, und ihren Kindern. Sie zeichnen das Porträt einer Frau, deren unermüdliches Eintreten für die Rechte anderer mit einigen Kosten für ihr eigenes Familienleben verbunden ist: ‹Wissen Sie, wie es ist, eine 800-seitige Rechtsakte zwischen sich im Bett zu haben›, witzelt Warschawski, den Tsemel selbst schon einmal vor Gericht verteidigt hat. Ihr Sohn Nissan hingegen klingt etwas weniger gnädig über den Kreuzzug seiner beiden Eltern. ‹Wenn ich diese Figur in einem Dokumentarfilm sehen würde, würde ich sagen: Wow, wie mutig›, sagt er - das darauf folgende ‹aber› ist angedeutet. Die harten Anforderungen, die Tsemel an ihre Familie und ihre Mitarbeiter stellt, behält der Film stets im Blick: Advocate ist keine fade Hagiographie, sondern eine klar strukturierte Charakterstudie über kompliziertes Heldentum. Schliesslich kann man das System nicht herausfordern, ohne sich selbst ein wenig in Frage zu stellen.» Variety