Jane Fonda (*1937) wuchs in eine Schauspielerfamilie der Gegensätze hinein: Ihr Vater Henry Fonda (1905–1982) war ein Star des klassischen Hollywoodkinos, ihr Bruder Peter wurde wie Jane in der Gegenkultur der Sechzigerjahre berühmt. Nichte Bridget (*1964) zog sich nach einem vielversprechenden Start in den Neunzigerjahren von der Leinwand zurück. Eine Zeitreise und eine Familiengeschichte in 21 Filmen.
Kathrin Halter
Als die 83-jährige Jane Fonda im Februar 2021 bei den Golden Globes mit dem «Cecil B. De Mille Award» für ihr Lebenswerk ausgezeichnet wurde, forderte sie in ihrer Dankesrede mehr Diversität im filmischen Storytelling. Nun könnte man dies als Tribut an den Zeitgeist abtun, aber bei Fonda bedeutete das Einstehen für andere immer schon mehr als schönes Daherreden. Bis heute erfüllt sie ihre Rolle als politische Aktivistin so ernst wie gewissenhaft: So stand sie 2019 jeden Freitag vor dem Capitol in Washington, um unter dem Slogan «Fire Drill Friday Meeting» gemeinsam mit anderen Demonstranten an die Klimakrise zu erinnern und politisches Handeln einzufordern. Dass sie mehrmals verhaftet wurde, hielt sie natürlich nicht davon ab; es war dann die Pandemie, die den Aktionen ein vorläufiges Ende setzte. Auch als Schauspielerin ist Fonda immer noch präsent, in der Netflix-Serie Grace and Frankie nämlich: Dort spielt sie in der mittlerweile siebten Staffel jene Grace, die im Alter an der Seite ihrer ungleichen Freundin (Lily Tomlin) nochmals zu einem Neuanfang ansetzt, nachdem sie von ihrem schwulen Ehemann verlassen worden ist. Neuanfänge, das gab es bei Fonda schon viele.
Pin-up-Girl und Staatsfeindin
Es war Lee Strasberg, der Jane Fonda dazu ermutigte, Schauspielerin zu werden; das war 1958, als die 21-Jährige im New Yorker Actors Studio Unterricht nahm. Und Mut brauchte sie: Zu Beginn ihrer Ausbildung war Jane orientierungslos und verunsichert und litt unter Essstörungen. Ihre Mutter Frances Seymour Brokaw hatte sich in einer psychiatrischen Klinik die Kehle aufgeschnitten, als Jane zwölf Jahre alt war. Der Vater, der gefeierte Schauspieler Henry Fonda, erzählte seinen Kindern, die Mutter sei an Herzversagen gestorben; die Todesursache erfuhr die Tochter aus einer Zeitschrift. In ihrer 2005 erschienenen Autobiografie «My Life So Far» hat Jane Fonda über ihre unglückliche Kindheit geschrieben, über die depressive Mutter, den Vater mit seinen Ansprüchen, ein Mann von offenbar Furcht erregender Kälte, der nie Zeit hatte für seine Familie.
Umso beeindruckender ist die Entwicklung, die Jane Fonda als Schauspielerin durchlief. Nach unbefriedigenden Anfängen setzte sie sich nach Frankreich ab und wurde 1967 unter ihrem späteren Ehemann Roger Vadim zu Barbarella: jenem überirdischen, langbeinigen Wesen, das in der Schwerelosigkeit einer Raumkapsel seinem Astronautenanzug entschwebt und aus Jane ein Pin-up-Girl der Swinging Sixties machte. Im Frankreich der Studentenunruhen begann aber auch Janes Politisierung. Nach der Rückkehr in die USA engagierte sie sich gegen den Vietnamkrieg, für die Black-Panther-Bewegung, die Rechte von Indianern und die Frauenbefreiung. Die Aktivistin wurde jahrelang vom FBI und von der CIA observiert und mehrmals verhaftet; ganze 22'000 Seiten Material wurde über sie zusammengetragen. Zu Janes Glück führte der Triumph der Gegenkultur auch in der amerikanischen Filmindustrie zu einem Generationenwechsel. Trotz ihres zeitweiligen Rufes als Staatsfeindin konnte Jane Fonda ihre Filmkarriere fortsetzen. Eine neue filmische Heimat fand sie, auch dank des Erfolgs von Easy Rider (1969), im Umfeld New Hollywoods.
In den Siebzigerjahren entstanden ihre besten Filme. So verhalten intensiv wie in der Depressionszeit-Parabel They Shoot Horses, Don't They? (Sydney Pollack, 1969), so aufrichtig wie im Kriegsheimkehrer-Drama Coming Home (Hal Ashby, 1978) erlebte man Jane Fonda danach kaum mehr. Den Oscar erhielt sie für ihre starke Rolle in Alan Pakulas Grossstadt-Thriller Klute (1970): An der Seite von Donald Sutherland spielt Jane Fonda ein New Yorker Callgirl, das von einem Psychopathen bedroht wird. Ihr Ausdruck wechselt, manchmal in Sekundenschnelle, zwischen fiebriger Angst, Beherrschung und der Verunsicherung einer Verliebten, die langsam ihre Abwehr aufgibt. In der Rolle einer Frau, die um ihre Autonomie kämpft, wirkte Fonda sehr zeitgemäss.
In den Achtzigerjahren verschrieb sich Jane mit der ihr eigenen Entschlossenheit dem Aerobic-Kult; auf der Leinwand war sie für vierzehn Jahre nicht mehr zu sehen. Eine Ausnahme ist On Golden Pond (1981), der einzige Film, in dem sie gemeinsam mit ihrem Vater auftrat – eine Vater-Tochter-Geschichte. Der Plot spielt, recht unverhohlen, auf die Entfremdung zwischen den beiden an. Wie ihr Bruder Peter litt Jane zeitlebens unter der Unnahbarkeit des Vaters, sehnte sich nach Anerkennung und Nähe. Während der Dreharbeiten, in der Konfrontationsszene zwischen Vater und Tochter, erlebte Jane, was ihr im Leben versagt blieb: eine späte, zaghafte Versöhnung.
On Golden Pond, von Jane Fonda selbst produziert, bereitete ihr zudem die Genugtuung, dem Vater fünf Monate vor seinem Tod den Oscar überreichen zu dürfen: seinen einzigen für eine Hauptrolle, bei einer 50-jährigen Filmkarriere mit über achtzig Rollen. Immerhin hatte er für sein Lebenswerk ein Jahr zuvor den Ehren-Oscar erhalten. Dabei hätte Henry Fonda die Auszeichnung für weit bedeutendere Werke verdient als für diesen weichgezeichneten Familienfilm.
Der senkrechte Amerikaner
Im klassischen Hollywoodkino verkörperte Henry Fonda fast ausnahmslos solide, integre Amerikaner. Als Charakterdarsteller hoch geschätzt, galt er zugleich als bodenständiger Star. Das hat auch mit seiner Herkunft zu tun: Fonda stammte aus dem Mittleren Westen, aus Grand Island, Nebraska, wo er 1905 als Sohn einer Hausfrau und eines Druckers zur Welt kam. Obwohl er zwei Jahre lang Journalismus studierte und mit 23 als Theaterschauspieler nach New York zog, beeinflusste das ländliche Amerika sein Denken wie sein Image, und er war stolz darauf. Zu seinen typischen Filmrollen zählen Westernhelden, aufrechte Bürger und zu Unrecht verdächtigte Familienväter. Dabei konnte Fonda auch komisch sein: Das schönste Beispiel liefert er als treuherzig vertrottelter Millionärssohn in Preston Sturges' Screwball Comedy The Lady Eve (1941). Amerikanische Präsidenten verkörperte er gleich fünfmal, am besten in John Fords Young Mr. Lincoln (1939): Fonda spielt Abraham Lincoln vor seiner Präsidentschaft, als Prärieanwalt, der im ländlichen Amerika zum ersten Mal mit Politik in Berührung kommt. Die Herausforderung bestand für Ford wie für Fonda darin, das politische Genie des künftigen Präsidenten erahnen zu lassen, ohne feierlich zu werden.
Fondas unaufgeregter Stil wird als schnörkellos umschrieben. Klar ist, dass Fondas Zurückhaltung eine paradoxe Wirkung erzielt: Er zieht die ganze Aufmerksamkeit auf sich und hinterlässt den Eindruck ruhiger Intensität. Young Mr. Lincoln war der erste von insgesamt neun Ford/Fonda-Filmen: Schon im Jahr darauf folgte mit Fords Steinbeck-Adaptation The Grapes of Wrath ein weiteres Schlüsselwerk. Spätestens nach der Verkörperung des heimatlos gewordenen Farmers Tom Joad genoss Fonda den Ruf eines grossen Charakterdarstellers. Die Bühne war ihm jedoch genauso wichtig; während mehrjährigen Drehpausen spielte Fonda immer wieder am Broadway. Ab den Fünfzigerjahren war er auch im Fernsehen zu sehen. Vom Method Acting übrigens hielt Henry Fonda, dem alles Theatralische so fremd war, wenig. Und wie erging es Henry, dieser Inkarnation Old Hollywoods, im Jugendkult und der Aufbruchstimmung der Siebzigerjahre? 1968 leistete er sich seine eigene kleine Rebellion: Er liess sich von Sergio Leone gegen sein Image besetzen und spielte im Italowestern Once Upon a Time in the West den fiesesten aller Bösewichte: den Auftragskiller Frank, der auch nicht davor zurückschreckt, Kinder umzubringen. Henry gab noch mehrmals den Bösewicht, aber nie mehr so genüsslich wie hier.
Captain America
Wie Vater und Schwester kam Peter Fonda (1940–2019) über den Broadway zum Film. Mit Roger Cormans Bikermovie The Wild Angels (1966) wurde er zu einem Star des Alternativkinos, mit Easy Rider (Dennis Hopper, 1969) erstarrte er zur Ikone der Gegenkultur. Danach fiel es ihm schwer, dem Mythos von Captain America, seiner Rolle in Easy Rider, zu entkommen und sich als Schauspieler und Regisseur neu zu profilieren. Das lag auch an seinem minimalistischen oder, je nach Einschätzung, ausdrucksarmen Schauspielstil. Dieser lässt sich auch in seiner ersten Regiearbeit, dem langsamen New-Hollywood-Western The Hired Hand (1971), beobachten. In der Hauptrolle des wortkargen Herumtreibers und Farmers kultiviert Peter seine Mimik ohne Regung. Nach vielen B-Movies gelang Peter dann als eigenbrötlerischer Bienenzüchter in Ulee's Gold (Victor Nuñez, 1997) nochmals ein kleiner Erfolg.
Eines der letzten Bilder von Henry Fonda zeigt einen bärtigen, in Decken gepackten Mann im Rollstuhl, lächelnd umringt von zwei Generationen seiner Familie. In den Händen hält er die Statuette, auf die er so lange warten musste. Mit auf dem Bild ist auch Peter Fondas Tochter Bridget (*1964). Seit 2002 hat die Schauspielerin nun nicht mehr gedreht; es scheint, als habe ihre Karriere ein unerwartet frühes Ende genommen. Aber es lohnt sich, ihre Filme nochmals anzusehen. Allen voran Barbet Schroeders Thriller Single White Female (1992) mit Bridget als junger Frau, die von einer psychopathischen Mitbewohnerin (Jennifer Jason Leigh) in die Enge getrieben wird. Ihre erste kleine Rolle bekam Bridget übrigens in Easy Rider.
Es ist schwer, dieser Familie zu entkommen.
Kathrin Halter ist Filmjournalistin und Redaktorin bei «Cinébulletin».
Aktualisierte Fassung des Textes, der 2011 im Programmheft des Filmpodium Zürich erschien.